Streit um die Zinnwerke: Ein Stückchen näher an der Zukunft

Die Nutzergemeinschaft der Wilhelmsburger Zinnwerke haben einen Verein gegründet. Damit könnte es für das Areal am Veringkanal endlich vorangehen.

Blick auf das Gelände der Wilhelmsburger Zinnwerke

Wilhelmsburger Zinnwerke: Ab März soll hier wieder der Flohzinn stattfinden Foto: JOTO

HAMBURG taz | Vom „Kampf um die Zinnwerke“ war die Rede, von „Streit“ und „Gräben“. Bisher schienen die Interessen der Zinnwerker und der Hamburg Kreativ Gesellschaft (HKG) unvereinbar. Da sind die einen, die in den historischen Hallen am Veringkanal arbeiten und sich engagieren, und die anderen, die von der Stadt beauftragt wurden, Ideen für die Zukunft des Areals in Wilhelmsburg zu sammeln. Doch so weit gehen die Vorstellungen gar nicht auseinander, wurde in dieser Woche klar, als sowohl die Zinnwerker als auch die HGK im Bürgerhaus Wilhelmsburg ihre Pläne und Ideen präsentierten.

Kultiviert ging es zu, man ließ sich ausreden, kein Schimpf, kein Eklat. Die HKG hat aus verschiedenen „Ideen-Workshops“ und einem Open Call fünf Leitideen der möglichen Nutzung entwickelt. Sie setzen dabei auf Projekte wie Musik Village Wilhelmsburg oder den sogenannten Bau-Kultur-Ort – die von einigen der rund 80 anwesenden Wilhelmsburgern als monofunktional kritisiert wurden.

Die Zinnwerker selbst hatten sich an dem Ideenfindungsprozess der HKG nicht beteiligt, weil sie das Verfahren als „intransparent“ kritisierten und ihnen die HKG im Vorfeld keinen Bestandsschutz gewährt hatte. Sie haben stattdessen ihr eigenes Konzept entwickelt: die Zinn-Zukunft. Als „Prototyp für innovatives und integratives Arbeiten“ will die Zinn-Zukunft die Kooperationen mit Stadtteilschulen und Universitäten weiterführen und die Zinnwerke zu einem „experimentellen Lernfeld“ und einer „Probierfläche“ für „ess- und trinkbare Zukünfte“ sowie sozialen Unternehmensgeist ausbauen.

Dass dieses Konzept inhaltlich gar nicht weit entfernt ist von dem, was die HKG unter der Leitidee „Kultur- und Stadtteillabor“ vorschlägt, konnten auch all die einsehen, die in der HKG eine Art Kolonialherren sehen, der die wilde Insel zivilisieren will.

Mieter konnten Abriss des Gebäudekomplexes verhindern

Erstmals hamburgweit bekannt wurden die Zinnwerke im Frühjahr 2013, als sich die heute dort noch aktiven Mieter erfolgreich gegen die Pläne der Stadt wehrten, den über 3.000 Quadratmeter großen Gebäudekomplex der ehemaligen Zinnwerke abzureißen, um auf dem über 11.000 Quadratmeter großen Areal den Opernfundus zu errichten. Mit der Rettung im August 2013 ging die Verkündung einher, man könne doch aus dem Veringkanal mit seinen dort ansässigen Künstlern und Gewerbetreibenden einen „Kulturkanal“ werden lassen.

Als im Sommer vergangenen Jahres die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte der Hamburg Kreativ Gesellschaft den Auftrag erteilte, für den Ort am Kanal ein tragfähiges Nutzungskonzept zu erstellen, durch das nicht zuletzt die lange ausstehenden Sanierungsarbeiten ausgeführt werden können, erschien das zuerst als eine lang ersehnte, gute Nachricht.

Lena Frommeyer, Mieterin in den Zinnwerken

„Wir hätten uns gewünscht, dass die HKG auf uns als Pioniere an diesem Ort zugegangen wäre und uns von Anfang stärker eingebunden hätte“

Aber die Akteure vor Ort konnten sich nicht freuen. Anstelle von erhoffter „Ko-Kreation“ verbreitete die HKG in der Wahrnehmung der Zinnwerker eine Stimmung von „Konkurrenz“. „Wir hätten uns gewünscht, dass die HKG auf uns als Pioniere an diesem Ort zugegangen wäre und uns von Anfang stärker eingebunden hätte“, sagt Lena Frommeyer, die in den Zinnwerken als freie Journalistin arbeitet. Sie ist eine von mittlerweile über 80 Personen, die in den Zinnwerken Büros, Ateliers und Schreibtische angemietet haben. Es gibt dort unter anderem eine Filmproduktionsfirma, ein Tattoo-Studio oder die Fahrradgarderobe.

Die Tatsache, dass die HKG bereits in der Ortsbenennung nicht den von den Akteuren geprägten Ortsnamen „Zinnwerke“ benutzte, sondern schlicht vom „Veringhof 7“ sprach, war für die Gruppe ein Affront. „Die taten so, als ob da noch nichts wäre, als ob wir alle gar nicht da wären“, sagt Dramaturgin Pam Goroncy.

Die Nutzer*innen sind optimistisch, dass eine Lösung gefunden wird

Die HKG sieht das anders: „Es gibt hier gar keinen Konflikt“, betonte Geschäftsführer Egbert Rühl. Man habe lediglich eine Diskussionsgrundlage geschaffen, mit der nun die Bezirksversammlung weiterarbeiten wird. Die muss nun unter den eingereichten Vorschlägen eine geeignete Lösung finden, die die Bürgerschaft überzeugt und rund acht Millionen Euro springen lässt, damit die Hallen und das Areal saniert werden können. Die Entscheidung soll noch vor der Bezirkswahl im Mai fallen.

Jüngst haben die Aktiven vom Veringkanal den Verein Zinnwerke e. V. gegründet. Damit wären sie ihrer Forderung, einer Bestandsgarantie, einen Schritt näher. Klaus Lübke, Bezirksabgeordneter der SPD, begrüßt die Vereinsgründung, denn das Gemeinwohl stünde im Vordergrund, wenn solch eine Summe Geld fließe.

Obwohl eine endgültige Lösung für die Zinnwerke immer noch aussteht, geben sich die Nutzer*innen optimistisch. Lena Frommeyer hofft, im „Verfahren nach dem Verfahren als ernst zu nehmende Partner mit der Stadt zusammenarbeiten können“. Einen Kompromiss gibt es immerhin schon: Der von den Zinnwerken organisierte Flohmarkt „Flohzinn“ soll wieder stattfinden. Dieser musste im Januar und Februar aufgrund baulicher Mängel pausieren.

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