Mit fremder Flagge ist alles erlaubt

EU Konvention nicht ratifiziert, Richtlinie zahnlos: Reedereien haben freie Bahn bei illegalem Abwracken

BRÜSSEL taz | Die EU-Mitgliedsstaaten drücken sich bisher vor strengeren Regeln für das Abwracken von Schiffen. Zwar hat die EU-Kommission im März einen Vorschlag für eine entsprechende Richtlinie gemacht, doch der läuft weitgehend ins Leere.

Der Vorschlag soll nämlich nur für Schiffe gelten, die unter der Flagge eines EU-Landes fahren. Das sind aber nur etwa neun Prozent der weltweiten Flotte. „Außerdem ist es ein Leichtes für die Reedereien, das Schiff vor dem Abwracken umzuflaggen“, sagt Delphine Reuter von der NGO Shipbreaking Platform.

Und selbst für die wenigen europäischen Schiffe, die die Richtlinie erfasst, gilt: Die EU-Kommission kann in Drittländern nicht kontrollieren. Sie muss sich auf den guten Willen der Redereien verlassen. Ausweichmöglichkeiten gibt es also viele.

Die Kommission bezieht sich in ihrer Richtlinie auf die sogenannte Hongkong-Konvention, die im Mai 2009 von weltweit 63 Ländern unterzeichnet worden ist. Darin werden Standards für den Umwelt- und Arbeitsschutz beim Abwracken festgelegt. So soll verhindert werden, dass Sondermüll billig und ohne entsprechenden Schutz in Entwicklungsländern entsorgt wird.

Nach Meinung vieler NGOs geht aber auch dieses Regelwerk nicht weit genug, zudem zieht sich die Ratifizierung des Honkonger Abkommens in die Länge. Aus Diplomatenkreisen heißt es, dass noch nicht alle technischen Details geklärt sind. Die EU-Kommission will das Vakuum der Hongkong-Konvention mit ihrer Richtlinie ausfüllen – bisher aber ohne Erfolg.

Denn das Dossier „dümpelt vor sich hin“, sagt ein Brüsseler EU-Diplomat. Auch den Mitgliedsstaaten ist klar, dass diese Richtlinie keine echte Lösung ist. Doch wie man die illegale Entsorgung tatsächlich stoppen könnte, dazu gibt es in Brüssel bisher keine brauchbaren Ideen.

RUTH REICHSTEIN