Kommentar Ukraine sagt ESC ab: Eine vertane Chance

Der Eurovision Song Contest bietet eine Möglichkeit des Austauschs. Auch wenn die Beziehungen zwischen den Regierungen vergiftet sein mögen.

Sängerin Maruv schießt Rauch aus einer Pistole bei ihrem ESC-Auftritt

Maruvs ESC-Absage hat ganz schön Rauch.. äh.. Staub aufgewirbelt Foto: ZUMA Press/Picture alliance

Die Nichtteilnahme der Ukraine am diesjährigen Eurovision Song Contest in Tel Aviv lässt tief blicken und ist für die politisch Verantwortlichen des Landes eine Blamage sondergleichen. Denn sie haben es auch diesmal nicht vermocht, der Versuchung zu widerstehen, eine Showbühne zum Ort einer – weiteren – politischen Auseinandersetzung zu machen.

Das erinnert fatal an 2017, als die russische Vertreterin Julia Samoilowa wegen Auftritten auf der von Moskau annektierten Halbinsel Krim mit einem Einreiseverbot für die Ukraine belegt wurde.

Keine Frage: Ein derartiges musikalisches Engagement muss man nicht goutieren, genauso wenig wie übrigens Konzerttourneen der ukrainischen ESC-Kandidatin Maruv alias Anna Korsun durch Russland. Auch würde wohl niemand, von einigen beratungsresistenten pro Putin orientierten Gestalten einmal abgesehen, ernsthaft bestreiten, dass für Kiew angesichts des fortdauernden bewaffneten Konflikts in der Ostukraine die Beziehungen zum Nachbarn ein in jeglicher Hinsicht vermintes Terrain sind.

Aber Künstler in Haftung zu nehmen und für eigene Zwecke zu instrumentalisieren – noch dazu in Zeiten des Wahlkampfes für das Präsidentenamt – ist schlicht inakzeptabel.

Genau das haben die SängerInnen erkannt und sich gegen derartige Versuche zur Wehr gesetzt. Ein Teil der Zivilgesellschaft, der „denen da oben“ die Stirn bietet – das ist die eigentliche gute Nachricht inmitten dieses unsäglichen Gezerres aus der Ukraine. Und so ist die Absage auch der Zweit- und Drittplatzierten des nationalen Vorentscheides, die nicht für Maruv in die Bresche springen wollen, folgerichtig.

Aber sie ist leider auch eine vertane Chance. Schließlich ist der ESC auch immer wieder eine Möglichkeit, dass sich Menschen begegnen und austauschen können, wie vergiftet die Beziehungen zwischen den Regierungen ihrer Staaten auch sein mögen. Glaubt man Insidern, scheint das in der Vergangenheit ja ganz gut geklappt zu haben.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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