Fliegen und der Mut zum Scheitern

ABENTEUER Klara Hobza isst Bananen unter Wasser, schippert per Floß durch Hamburgs Hafen und inszeniert gern auch mal ihre eigene Auswanderung. In Neuenkirchen ist ihr eine Ausstellung gewidmet

Von ihrer Biografie existieren mehrere Versionen. Eine reicht bis 2066

Klara Hobza liebt das Abenteuer, und deshalb hat der Neuenkirchener Kunstverein Springhornhof sie für eine Ausstellung eingeladen. Denn die Künstlerin hat auch Humor und macht sich gern über sich selber lustig. „Ich habe noch nie eine Frau gesehen, die unter Wasser eine Banane isst“, bemerkt ihr Tauchlehrer zum Beispiel anerkennend. In Hobzas Video „Jedi Master“ wirkt er sehr zufrieden über die erste gemeinsame Übungsstunde.

Dabei ist das Banane-Essen eine eher kleine Prüfung, gemessen an dem, was der Künstlerin bei ihrem Projekt „Diving through Europe“ bevorsteht: Von Rotterdam aus möchte sie durch Rhein, Main und Donau bis zum Schwarzen Meer tauchen.

Zum Glück kann man ihrer Vita bereits entnehmen, dass das Vorhaben gelingt. Dort steht, im Rathaus der rumänischen Stadt Constança sei 2035 eine „gleichermaßen suspekte wie verblüffende subaquatische Tätigkeit am Fuße des Donau-Schwarzes-Meer-Kanals“ vermerkt.

Klara Hobza, 1975 im tschechischen Pilsen geboren, ist immer in Bewegung. Präziser als mit dem Titel ihrer Schau – „Moving with Fervor into Moments of Levity“ – lässt sich ihre Methode kaum beschreiben: Voll Inbrunst bewegt sie sich in Momente von Leichtfertigkeit, Leichtsinn, Ungezwungenheit. Bereits 2009 bewies sie Mut, als sie ihre Wahlheimat New York nach sieben Jahren in Richtung Deutschland verließ. Mit einem selbst gebauten Floß umschiffte sie auf dem East River die Südspitze Manhattans, um in New Jersey auf ein Containerschiff zu gehen. In Hamburg führte sie das Floß samt Gepäck quer durch den Hafen direkt in ein Fleet. Aus dem weit gereisten Holz und ein paar weiteren Exponaten entstand dort ihre erste Einzelausstellung in der Galerie für Landschaftskunst.

Aber Klara Hobza verausgabt sich nicht nur. Sie befasst sich auch mit Identität und Zugehörigkeit. Das erklärt auch, warum sie, die als Sechsjährige mit den Eltern nach Westdeutschland floh, ihre zweite Migration als dramatisches Auswanderungsritual inszeniert. New York verließ sie unfreiwillig, genauso wie sie ihre ersten Münchner Jahre in traumatischer Erinnerung hat. Beides erfährt man aus ihren Biografien, die Teil der Ausstellung sind. Momentan gibt es davon zwei: Eine Biografie-Version aus dem Jahr 2002 sowie einen aktuellen Entwurf. Weitere Varianten bis 2066 sind denkbar. Da stirbt die Künstlerin nämlich, so steht es dort, mit 91 an Herzversagen. Aber: „Die Beerdigung ist relativ gut besucht.“

Und im Video „Paper Airplanes“ sieht man Hobza auf dem Steg von Coney Island einen gewaltigen Anlauf nehmen. Es stürmt, Gischt sprüht. Dann schickt sie einen Papierflieger übers Meer, der natürlich sofort untergeht. Von all dem: Fliegen, Mut und Scheitern handelt auch Werner Herzogs Film „Die große Ekstase des Bildschnitzers Steiner“ von 1974 über den Schweizer Skispringer Walter Steiner. Er schwebt als verbindendes Motiv über der Ausstellung und wird zu bestimmten Terminen gezeigt.

So vermitteln mehrere verzahnte Ebenen einen guten Einblick in das Werk der Künstlerin, die 2010 den Ars Viva-Preis „Labor“ erhielt. Die Präsentation selbst irritiert aber zunächst: Alles bleibt irgendwie kleinformatig. Da gibt es ein Gefälle zwischen den abenteuerlichen Projekten und ihrer Vermittlung, aber letztlich ist das stimmig: Statt den Besucher durch Pomp zu überwältigen, lässt sie ihm Raum, sich in ihre Welt hineinzudenken. BRITTA PETERS

Bis 14. 10. 2012, Neuenkirchen