taz-Recherche zu „Hannibal“-Netzwerk: Direkter Draht zum Verfassungsschutz

Der Verein Uniter e.V. bildet Zivilisten in Militärtaktik aus. Ein Verfassungsschutz-Mitarbeiter hat ihn mitgegründet.

Ein Schild mit dem Namen der Behörde vor dem Landesamt für Verfassungschutz Baden-Württemberg

Hier arbeitet ein Mann, der im Gründungsvorstand von Uniter e.V. saß Foto: dpa

BERLIN taz | Der Verfassungsschutz hat eine direkte Verbindung zum Verein Uniter e.V., der in Zusammenhang mit einem rechtsextremen Netzwerk mit Mitgliedern aus Sicherheitsbehörden in den Fokus geraten ist: Nach Recherchen der taz hat ein Mitarbeiter des Landesamts für Verfassungsschutz (LfV) Baden-Württemberg den Verein mitgegründet und saß sogar im Vorstand. Das ist durch mehrere voneinander unabhängige Quellen belegt. Anfang 2017 ist der Mann aus dem Vereinsvorstand zurückgetreten, wie aus internen Vereinsdokumenten hervorgeht, die der taz vorliegen. Im Vereinsregister ist er allerdings bis heute eingetragen.

Bekanntester Kopf von Uniter und offiziell stellvertretender Vorsitzender des Vereins, der im Mai 2016 in Stuttgart gegründet wurde, ist André S. alias „Hannibal“. Der damalige Soldat des Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr hat eine Vielzahl von Chatgruppen administriert, in denen sich sogenannte Prepper auf den „Tag X“ vorbereiteten. In diesen Gruppen waren mehrere Männer organisiert, gegen die der Generalbundesanwalt wegen „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ ermittelt. Sie sollen unter anderem Feindeslisten geführt und die Tötung politischer Gegner im Zusammenhang mit dem „Tag X“ besprochen haben.

André S. war bis zu seinem Ausscheiden aus dem KSK vor einem Jahr Auskunftsperson des Bundeswehr-Nachrichtendienstes MAD. Nach Angaben aus dem Bundesverteidigungsministerium hat er derzeit ein Uniformtrageverbot. Gegen ihn ermittelt derzeit die Staatsanwaltschaft Stuttgart wegen eines mutmaßlichen Verstoßes gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz.

Hinweisgeber im Verein

Einem der Chats gehörte auch der Bundeswehrsoldat Franco A. an, den der Generalbundesanwalt wegen Terrorvorwürfe angeklagt hat. Bei Franco A. wurde ein Uniter-Abzeichen gefunden. Er nahm auch an mehreren Treffen teil, die Teilnehmer als Uniter-Treffen in Erinnerung haben. Anfang 2016 saß er mit zwei Dutzend anderen in einem Schützenhaus im baden-württembergischen Albstadt zusammen, wo es um die Vorbereitung auf einen “Tag X“ ging, ein andermal in kleiner Runde bei André S. alias “Hannibal“ zu Hause.

Das Landesamt für Verfassungsschutz verfügt nach taz-Informationen auch über mindestens einen Hinweisgeber, der den Verfassungsschutz über Veranstaltungen des Vereins informiert. Dazu will die Behörde auf taz-Anfrage nichts sagen. LfV-Sprecher Georg Spielberg teilte lediglich mit, der Verein Uniter e.V. sei kein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes Baden-Württemberg, „weil keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es sich um eine Bestrebung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung handelt“.

Auch über den LfV-Mitarbeiter, der den Verein Uniter mitgegründet hat, möchte sich die Behörde aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht öffentlich äußern. So bleibt vorerst offen, seit wann der Mitarbeiter für das LfV arbeitet und seit wann das LfV von seiner Vereinsaktivität wusste. Ebenso unklar ist, ob es zur Vereinstätigkeit einen dienstlichen Zusammenhang gibt.

Im Dezember hatte die taz fragwürdige Aktivitäten von Uniter aufgedeckt. Mitglieder einer so genannten „Defence“-Einheit des Vereins nahmen unter André S.' Anleitung an einem geheimen paramilitärischen Training teil. Dem Betreiber des Trainingsgeländes im baden-württembergischen Mosbach war der Verein unabhängig davon als militaristisch aufgefallen. Daraufhin wurde dem Verein die Benutzung des Geländes untersagt. Der Betreiber hatte darüber auch das Landesinnenministerium informiert.

Vorbereitung auf die Krise

Um zu überprüfen, ob strafrechtliche Ermittlungen aufgenommen werden, hat der Generalbundesanwalt einen Beobachtungsvorgang zu Uniter e.V. angelegt. Die Ermittler betrachten die Chatgruppen und die Vereinsaktivitäten getrennt voneinander. Tatsächlich gibt es aber, wie taz-Recherchen ergeben haben, große personelle und strukturelle Überschneidungen. Mindestens ein Dutzend der früheren Chat-Mitglieder sind oder waren auch bei Uniter e.V. aktiv, darunter viele in leitenden Positionen. Es handelt sich dabei um aktive oder ehemalige Soldaten, viele vom KSK, und aktuelle oder ehemalige Polizisten.

Der Verein, der zum ersten Mal bereits 2012 in Halle (Sachsen-Anhalt) gegründet wurde, präsentiert sich heute nach außen als karitative und fachkundige NGO und behauptet, es gebe “keine Verbindung des Vereins Uniter zur Prepper-Szene“. In einem Uniter-Newsletter aus dem Herbst 2015, der der taz vorliegt, klang das noch ganz anders.

Da ist von „schwere[n] Zeiten“ die Rede, die auf Europa zukämen, „ob innere Unruhen oder Krisen an den Grenzen“. Auf diese müsse man sich vorbereiten, mit „sicheren Wohnkomplexen“, „Siedlungen mit autarkem Charakter“ oder „Auffangcamps im Ausland“. In dem Schreiben werden die Vereinsmitglieder aufgefordert, sich auf Krisenszenarien vorzubereiten, was Lebensmittel und Kommunikation angeht, aber auch darüber hinaus. Die Frage sei: „Wohin, was machen nach dem die Öffentliche Ordnung nicht mehr da ist?“

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Illustration: taz/Infotext-Berlin (Montage)

Hannibals Schattennetzwerk

Hintergründe zum Prozess gegen Franco A.

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