Linke Opposition in Italien: Demokraten proben den Neuanfang

Ex-Kommunist Nicola Zingaretti wird zum neuen Parteichef gewählt, die Beteiligung ist hoch. Mailänder protestieren gegen Fremdenfeindlichkeit.

Nicola Zingaretti (r.) bei der Anti-Rassimus-Kundgebung am Samstag in Mailand

Nicola Zingaretti (Bildmitte) bei der Anti-Rassismus-Kundgebung am Samstag in Mailand Foto: imago/Fabricio Di Nucci

ROM taz | Ist das der Neustart der italienischen Linken? Am Sonntag ermittelte die Partito Democratico (PD) in Urwahlen ihren neuen Vorsitzenden – und der Urnengang wurde zum Überraschungserfolg sowohl für die Partei als auch für den siegreichen Kandidaten, Nicola Zingaretti.

Die PD durfte sich über eine überraschend hohe Beteiligung freuen: Akkurat ein Jahr nach ihrer verheerenden Niederlage bei den Parlamentswahlen gegen die Fünf Sterne und die Lega gelang es ihr, etwa 1,8 Millionen Bürger für die offene Urwahl zu mobilisieren. Zingaretti kann einen mehr als klaren Erfolg verbuchen: Er setzte sich mit etwa 65 Prozent gegen zwei Mitbewerber durch. Damit erscheint die Gefahr eines anhaltenden Patts in der Partei gebannt.

Der 53-jährige Politiker aus Rom – er ist Gouverneur der Hauptstadtregion Latium – triumphierte vor allem deshalb, weil er versprach, „eine neue Seite“ in der Parteigeschichte aufzuschlagen, sprich: der Ära Matteo Renzis, der die PD in den Jahren 2013 bis 2018 dominiert hatte, ein Ende zu setzen.

Der ursprünglich aus der Christdemokratie stammende Renzi hatte die PD mit seinem Versprechen, die alte Politikergarde zu „verschrotten“ und Italien ein radikales Modernisierungsprogramm zu verordnen, völlig aufgemischt. Anfangs schien er mit seinem Kurs, als dessen geistige Väter er gerne Tony Blair und Bill Clinton nannte, durchaus erfolgreich. Kaum Ministerpräsident geworden, gewann er 2014 die Europawahlen mit 41 Prozent.

Kläglich gescheitert

Doch seine Arbeitsmarkt- und Schulreform trugen ihm schnell einen Popularitätsabsturz ein. Sein Versuch dann, im Jahr 2016 die Verfassung und das Wahlrecht zu reformieren, scheiterte kläglich in einem Referendum sowie am Verfassungsgericht.

Die Quittung kam bei den Wahlen vom 4. März 2018. Die PD stürzte auf 18,7 Prozent ab, die Protestliste der Fünf Sterne kletterte auf knapp 33 Prozent, die rechtspopulistisch-fremdenfeindliche Lega auf 17 Prozent. Seither regieren in Rom die beiden Anti-Establishment-Parteien. Renzi trat nach der der verheerenden Niederlage als PD-Vorsitzender zurück.

Die Partei hingegen verfiel in Schockstarre. Zwei Lesarten der Niederlage standen einander gegenüber: die des Renzi-Lagers, dass die PD an der Regierung alles richtig gemacht habe und bloß die Wähler das leider nicht verstanden hätten. Und die seiner Gegner, die dem Ex-Premier vorwarfen, Kerngruppen der Anhängerschaft vor allem aus dem einfachen Volk mit seinen Reformen verprellt zu haben.

Ebendies ist auch die Sicht des jetzt siegreichen Zingaretti, der anders als Renzi seine ersten politischen Schritte noch in der Kommunistischen Partei tat. Er fordert, die Demokraten müssten die soziale Frage, die wachsende Spaltung des Landes in Arm und Reich wieder zum Kernthema ihrer Politik machen, sprich: „eine neue PD“ schaffen. Wie sich am Sonntag zeigte, sieht dies das Gros der Partei-Anhänger genauso.

„Menschen zuerst!“

Der fremdenfeindlichen Politik des Lega-Chefs sowie Innenministers Matteo Salvini („Italiener zuerst!“) setzte er am Sonntagabend den Slogan „Menschen zuerst!“ entgegen – den gleichen Slogan, unter dem am Samstag mehr als 200.000 Menschen in Mailand auf die Straße gegangen waren, um gegen Italiens migrantenfeindliche, teils mit offen rassistischen Tönen vorgetragene Politik zu protestieren.

Die Organisatoren der Demonstration waren zivilgesellschaftliche Organisationen ohne Beteiligung politischer Parteien, doch auch Zingaretti marschierte als einfacher Bürger mit.

Die erste Probe steht Zingaretti jetzt mit den Europawahlen am 26. Mai bevor. Bei ihnen wird sich zeigen, ob es ihm gelingt, die PD aus dem 18-Prozent-Tief herauszuführen und zur laut vernehmlichen Oppositionskraft zu machen. Nach dem vergangenen Wochenende hat er dazu alle Chancen.

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