Linke Kiezkneipe droht weiter Räumung: Syndikat bleibt. Nicht. Leider

Unbekannte haben mit einer Fake-Website die Rettung der bedrohten Kiezkneipe Syndikats verkündet. Stimmt nur leider nicht.

Eine Hauswand im Schillerkiez, die mittels Plakatierung das Bleiben des Syndikats fordert

Besser als arisch allemal: Plakat plädiert für Erhaltung der Kiezkneipe Syndikat Foto: taz

Dem Syndikat droht noch immer die Räumung. Nachdem die Berliner Morgenpost am Dienstagabend mit Verweis auf ein angebliches Statement des Immobilienriesen Pears Global berichtet hatte, dass die von Rauswurf bedrohte Szenekneipe im Schillerkiez bleiben dürfe, stellte sich leider heraus, dass die Website, auf die sich der inzwischen gelöschte Bericht bezog, eine Fälschung ist. Einerseits schön, dass die Morgenpost noch an das Gute in Vermietern glaubt(e). Andererseits erkennt man schon bei einer kritischen Textprüfung, dass das Statement wenig authentisch wirkt.

Der Gewerbemietvertrag des linken Kneipenkollektivs Syndikat in Nordneukölln wurde nach einem Verkauf nicht verlängert und lief Anfang des Jahres aus; den Schlüssel hat das Betreiberkollektiv einfach behalten. Derzeit ist das Syndikat zwar weiter geöffnet, aber eine Räumungsklage ist anhängig. Erst Recherchen der Kneipe deckten auf, dass hinter dem Käufer, Eigentümer von über 6.000 Wohnungen, dem Großteil davon in Berlin, eine verwirrendes Briefkastenfirmengeflecht in Luxemburg steckt, deren Verbindungen zum Londoner Unternehmen Pears Global Real Estate führen.

Das Statement liest sich mit viel Wohlwollen ein bisschen wie PR-Greenwashing-Sprech, aber welches verschleierte Immobiliensyndikat würde schon in jovialem Ton schreiben: „Natürlich stünde uns die Möglichkeit offen, die Gewerbeeinheit ‚Syndikat‘ im Sommer 2019 zu räumen und nach den Schutzfristen die Mieter zu entwohnen.“ Da Kompetenz, Professionalität, Engagement und Umsicht Grundwerte des Handelns von „Pears Global Four Real Germany“ (for real, hihi) seien, „werden wir aber davon Abstand nehmen.“

Auf einmal will Pears Global zudem erkannt haben, dass das Syndikat eine „zentrale Rolle für die soziale Struktur im Bereich ‚Schillerkiez‘ spielt“ – und das Leiden an der Gentrifizierung könne man so als internationaler Immobilienplayer ebenfalls nachempfinden: „Dieser war in den letzten Jahren von einer Mietsteigerung von 98 Prozent betroffen.“ Auch die Mieter*innen würden mit einer Kündigung bei dem angespannten Wohnungsmarkt schwer getroffen. Jaja. Mmh-hm.

Die Telefonnummer im Impressum ist mutmaßlich eine teure Sexhotline

Spätestens am Impressum sollte klar werden, dass es sich um Satire handelt und kein offizielles Statement eines ansonsten heimlich tuenden Konzerns. Als Telefonnummer ist mutmaßlich eine kostenpflichtige Sexhotline angegeben (Fact-Checking zu teuer an dieser Stelle, wer selber will: 0900-123456). Und die Adresse passt auch nicht zur Postleitzahl.

Auf diesen wohl kaum von Pears Global stammenden Text dagegen ein authentisches Dementi zu bekommen, ist gar nicht so einfach: Infolge der Verschleierungstaktik, die das Unternehmen bei Investitionen und Immobiliengeschäften anwendet, kann man die Firma nur über zwei Ecken erreichen. Verwaltet wird das Haus in der Weisestr. 56 von der DIM Hausverwaltung. Die wiederum haben ihre PR-Arbeit an „Rueckerconsult GmbH“ outgesourct. Um nun zu dementieren, dass der Text von Pears Global stammt, muss der PR-Mann Lutz Ackermann erst mal bei der DIM nachfragen, die wiederum bei ihren offiziell geheimen Besitzer*innen nachfragen muss.

Mit dem Ergebnis: kein Ergebnis, beziehungsweise die logikfreie Äußerung: „Die DIM ist mit der Hausverwaltung des Objektes beauftragt und handelt im Auftrag des Eigentümers. Wir können den Sachverhalt daher nicht kommentieren.“ Auf verwirrte Nachfrage heißt es: Kein Kommentar zum Räumungsverfahren, aber die Website sehe schon wie ein Fake aus, wie man auch am gefälschten Impressum erkennen könne.

Vielleicht wollten Freund*innen des Syndikats auch einfach nur ein weiteres Mal diese alberne Scharade entlarven. Was natürlich gelungen ist.

Direkt erreichbar war vom Syndikat bislang niemand. Kein Wunder: Witze erklärt man ja auch nicht. Das aktivistische Nordneuköllner Blog Nk44 fasste allerdings treffend zusammen: „Danke für ein feines Stück Kommunikationsguerilla.“

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