Das Ende des Gurkenfisches

Bestand des Kultfisches Stint in der Elbe bricht zusammen. Naturschützer fordern Stopp der Elbvertiefung

Die Stintpopulation hat sich seit fünf Jahren mindestens halbiert, 2018 wurden so wenige Stinte gefangen wie seit Jahren nicht

Von Sven-Michael Veit

Den Stopp der Ausbaggerungen von Hafenschlick in der Elbe fordert das Hamburger Bündnis Lebendige Tideelbe. Beides seien Faktoren, die dem Stint das Überleben schwer machen. „Für den Schutz des Stintbestands müssen aktuelle Eingriffe vorsorglich jetzt gestoppt werden“, teilte das Bündnis, dem die drei Umweltverbände BUND, Nabu und WWF angehören, am Sonntag mit. Die belastenden Aktivitäten im Fluss sollten so lange gestoppt werden, bis deren Unbedenklichkeit bewiesen sei.

„Bei der derzeitigen Bestandsentwicklung des Stints und den dramatischen Folgen muss endlich auch die Ökologie Priorität haben. Mit der bereits begonnenen Elbvertiefung wird sich die Situation nochmals deutlich verschlimmern“, sagte BUND-Geschäftsführer Manfred Braasch.

Vor wenigen Wochen hatten bereits die letzten Elbfischer Alarm geschlagen und auf den dramatischen Rückgang des Stintbestandes aufmerksam gemacht. Der Stint, ein kleiner, silbriger, wohlschmeckender Fisch, ist ein Verwandter des Lachses. Stinte sind mit einer Größe von 15 bis 20 Zentimetern die kleinsten Schwarmfische dieser Familie. Noch Anfang des 19. Jahrhunderts wurden sie mit Netzen am Ufer der Elbe in Massen gefangen. Mit zunehmender Gewässerverunreinigung verschwand der ein wenig nach Gurken schmeckende und deshalb im Volksmund „Gurkenfisch“ genannte Stint zeitweilig völlig aus der Elbe.

Nachdem die Elbe seit Beginn der 1990er Jahre wieder zu einem halbwegs sauberen Fluss wurde, kehrten auch die Wanderfische wieder jedes Frühjahr in Massen zum Laichen in den Fluss zurück. Wie in früheren Zeiten machten Elbfischer den Stint kulinarisch zum Kult­essen. Seitdem gilt er als regionale Delikatesse.

Nach Angaben des Fischkundlers Ralf Thiel von der Universität Hamburg hat sich die Stintpopulation in den letzten fünf Jahren aber mindestens halbiert, wie er dem NDR sagte. Er macht das Zusammenspiel von mehreren Gründe dafür verantwortlich: Der Fisch vertrage die wärmeren Winter nicht. Auch wirke sich das Ausbaggern der Elbe für die Schifffahrt negativ aus – das trübere Wasser raube dem Fisch die Sicht und die Luft.

Bereits im Vorjahr wurden so wenige Stinte gefangen wie seit Jahrzehnten nicht, rechnet das Bündnis Tideelbe vor. Und 2019 sei es nur noch ein Drittel dieser Menge. Die Wirtschaftsbehörde will auf die nächste Elbvertiefung dennoch nicht verzichten: „Dann müssten wir den Hafen schließen.“