Klage gegen Macher von „Fortnite“: Wie stiehlt man einen Tanz?

US-amerikanische Künstler wollen Geld vom Hersteller des beliebten Spiels „Fortnite“. Der Vorwurf: Man habe ihnen ihre Tänze geklaut.

Porträt Alfonso Ribeiro

Er verklagt ein Spiel: Alfonso Ribeiro alias Carlton Banks aus der Serie „Der Prinz von Bel Air“ Foto: Invision/Willy Sanjuan

Mehrere US-amerikanische Künstler haben eine Klage gegen einen Computerspielhersteller zurückgezogen. Der Grund der Klage: Der Hersteller hatte ihre Tanzschritte in seinem erfolgreichen Spiel verwendet. Der Grund für den Rückzug: eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in den USA, nach der Personen und Unternehmen keine Klage wegen Urheberrechtsverletzung einreichen können, wenn sie ihr Werk nicht beim U.S. Copyright Office registriert haben.

Was wie eine Meldung aus dem Kuriositätenland klingt, mit leichter Beimischung juristischer Spitzfindigkeitsfimmelei, ist eigentlich eine Wirtschafts- und Kulturgeschichte.

Aber von Anfang an: Das Spiel, um das es geht, heißt Fortnite. Es soll eines der meistgespieltesten Spiele des Jahres 2018 sein. 200 Millionen Menschen sollen in dem Online-Spiel einen Account haben, jedenfalls laut den Zahlen, die Spieleentwickler Epic Games selbst veröffentlicht hat.

Das Spielprinzip: Im beliebten Battle-Royale-Modus springen bis zu 100 Spieler*innen über einer Insel ab, auf der sie Waffen und andere Ausrüstung finden, die ihnen im Kampf gegen andere hilft. Während des Spiels wird das Gebiet, auf dem sie sich bewegen können, immer kleiner, so dass die Spieler*innen auf die Mitte der Karte zugetrieben werden. Wer am Ende überlebt, hat die Partie gewonnen.

Der Battle-Royal-Modus ist free to play, also kostenlos. Geld verdienen die Macher*innen des Spiels anders. Indem sie Inhalte verkaufen, mit denen die Spieler*innen ihre Avatare individueller gestalten und mit denen sie mit anderen interagieren können. Dazu gehören Kostüme und Emotes, mit denen Spieler*innen ihrer Figur ein Gefühlsleben geben können.

Zum Beispiel in dem man seinen Avatar den „Fresh“ tanzen lässt, einen Tanz aus der Serie „The Fresh Prince of Bel Air“. Oder mit dem „Swipe it“, einem Tanz des Rappers 2 Milly. Wer diesen Tanz im Spiel für sich erwerben will, zahlt etwa 5 Euro.

Der Schauspieler Alfonso Ribeiro, der den Charakter Carlton Banks im „Prinz von Bel Air“ spielt, 2 Milly und die beiden Internet-Bekanntheiten Backpack Kid und Orange Shirt Kid hatten Spieleentwickler Epic Games verklagt, weil der von ihnen entwickelte Tänze widerrechtlich in Fortnite verwendet habe.

Ist das Kunst oder nur…äh…Kulturproduktion?

Man mag das Urheberrecht insgesamt albern finden, oder die Idee, Kunst ließe sich schützen, wie ein Auto, dass man in der Garage einschließt. Tatsächlich sind viele Kunstwerke erst durch das gelungene Kopieren des Alten entstanden. Computerspiele, die ebenfalls seit einiger Zeit weithin als Kunstform gelten, bedienen sich dessen seit langem, das gesamte Battle-Royale-Genre besteht aus Variationen des immer selben Spielprinzips. Das Urheberrecht schützt Computerprogramme wie Tänze, das eine ist nicht automatisch lächerlicher als das andere. Und: Die meisten Computerspiele zehren von dem kulturellen Fundus, der bereits da ist: Musik, Bücher und eben auch Tanz.

Aber warum so ein Rummel um 5 Euro? Nun ja, die Kleinbeträge läppern sich.

Battle-Royale-Spiele gehören seit dem Erscheinen des ersten Titels PlayerUnknown’s Battlegrounds, kurz PUBG, im März 2017 zu den am besten verkauften Spielegenres der Branche. Wenige Tage nachdem PUBG noch unfertig, also im Early Access, auf der bedeutendsten Spieleplattform Steam veröffentlicht wurde, erreichte es Platz 1 der Steam-Verkaufscharts. Im Mai 2017 waren bereits über 2 Millionen Exemplare mit über 60 Millionen US-Dollar Umsatz verkauft.

Der nächste Rekord ist bereits in Sicht: Das Spiel Apex Legends von Electronic Arts (EA), einem der größten Unternehmen der Computerspieleindustrie. EA meldete auf Twitter vier Wochen nach dem Start im Februar bereits 50 Millionen registrierte Spieler*innen. Wenn die Angaben stimmen, wäre das mehr als doppelt so viel wie bei Fortnite vier Wochen nach dem Start.

Am Anfang war das Morden

Ihren Namen haben die Battle-Royale-Spiele vom dystopischen japanischen Roman Battle Royal und der gleichnamigen Verfilmung. In einer Welt mit hoher Arbeitslosigkeit und Jugendkriminalität müssen sich Schüler*innen einem staatlich organisierten Todesspiel so lange gegenseitig umbringen bis nur noch ein Sieger oder eine Siegerin übrig bleibt.

In Foren und in den Kommentaren unter Artikeln zur Klage gegen Epic Games machen sich viele Spieler*innen lustig über die Forderungen der Künstler, auch der Spott dafür, dass sie ihre Klage zurückgezogen haben, ist groß. Der Tenor in Deutschland: Verrückte USA, was man da alles einklagen kann, alles geldgeile Honks.

Auf einer Webseite der PC Games, einem der großen deutschen Medien, die über Computerspiele berichten, heißt es: „Die andere Frage ist, ob die Forderungen selbst nach US-Regeln nicht etwas überzogen sind. Im Gespräch waren nämlich auch Einnahmenbeteiligungen für die Verwendung von Tänzen, was wohl angesichts ihres Stellenwertes für das Spiel etwas übertrieben sein mag.“

Ist es das?

In Fortnite ist im Gegensatz zu PUBG nur noch wenig vom düsteren Ursprung zu erkennen. Die comichafte Grafik nehmen den Kämpfen das Blutige und Brutale, das sich in PUBG noch findet. Das freundliche Aussehen des Spiels ist wahrscheinlich einer seiner stärksten Erfolgsfaktoren bei jüngeren Spielern, auch das gerade erschienene Apex Legends setzt darauf. Dass die Figuren tanzen können, verstärkt den Knuddel-Aspekt noch. Und das Verkaufen der Emotes ist eine der Haupteinnahmequellen des Spieleentwicklers.

Eine andere Frage ist: Lässt sich ein Urheberrecht auf Tänze erheben?

Die Kombination aus diesen drei Tanzschritten ist eine simple Routine, die nicht als choreografisches Werk registriert werden kann“, sagte ein Vertreter des US Copyright Office über den Carlton von Alfonso Ribeiro. Fraglich, ob die anderen Kläger da mehr Erfolg haben werden. Laut deutschen Urheberrecht lassen sich auch Tänze und Choregrafien urheberrechtlich schützen, allerdings ist im Gegensatz zu Musik beispielsweise schwammig definiert, wie viele Takte übernommen werden dürfen. Es ließe sich auch sagen: Tänze lassen sich schwieriger schützen als andere Kunstformen.

Alte versus neue Kunst

Die Verwertungslogik laut der die Bewegungen von Hüften, Armen und Beinen etwas ist, was sich jemand reservieren kann, die mag einem befremdlich vorkommen. Aber diese Logik schützt auch Spiele, in denen immer wieder jemand mit einem Gewehr durch die Gegend läuft und Zombies umballert.

Der Konflikt um die Tänze in Fortnite illustriert auch die wachsende Bedeutung einer Industrie, die je nach Einschätzung der Filmbranche den Rang als Kulturproduzent abgelaufen hat oder es mit Sicherheit noch tun wird. Mit Computerspielen lässt sich viel Geld verdienen, kein Wunder, dass viele ein Stück vom Kuchen abhaben wollen. In diesem Fall andere Künstler, die mit ihrer „alten“ Kunst also Tanz nicht so viel verdienen wie die Branche mit der „neuen“ Kunst des Computerspiels.

Ein anderes Beispiel eines solchen Konflikts ist der Streit zwischen dem polnischen Autor Andrzej Sapkowski und dem Entwicklerteam CD Projekt. Sapkowksi hat eine erfolgreiche Fantasyromanreihe geschrieben, in der ein Mutant, der Hexer, sein Geld mit dem Töten von Monstern verdient. Der Schriftsteller hat die Lizenz aus seinen Büchern Computerspiele zu machen an CD Projekt verkauft, Medienberichten zufolge für weniger als 10.000 Euro. CD Projekt machte daraus drei Spiele, die zu den besten Werken im Rollenspielgenre zählen. 2018 forderte Sapkowski dann 18 Millionen Euro von CD Projekt.

In diesem Fall allerdings einigten sich die Entwickler der Computerspiele mit dem Autoren. Alles andere hätte sich wahrscheinlich auch geschäftsschädigend auswirken können. Für viele Spieler*innen der „Witcher“-Reihe ist der Bezug zu den Romanen identitätsstiftend. Sie erkennen an, dass es die Welt, in die sie eintauchen und den Charakter, den sie spielen, ohne die Romane gar nicht gäbe. Diesen Status haben 2 Milly und die anderen Tanz-Kläger bei den Fortnite-Spielern ganz offenbar nicht.

Ihre Anwaltskanzlei hat angekündigt, man werde die Klage wieder einreichen.

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