Brexit-Voten im britischen Parlament: Anträge erneut abgelehnt

Die Alternativen zu den Brexit-Vorschlägen der britischen Premierministerin May erhalten keine Mehrheit im Unterhaus. Das Kabinett trifft sich zur Krisensitzung.

Eine Frau sitzt in einem Auto. Sie guckt ernst. Es ist Theresa May

Hatte das Brexit-Abkommen mit der EU ausgehandelt: die britische Premierministerin Theresa May Foto: dpa

LONDON ap | Nach dem erneuten Scheitern der britischen Abgeordneten im Ringen um einen Ausweg aus der Brexit-Sackgasse ist das Kabinett am Zug: Es kommt auf Betreiben von Premierministerin Theresa May am Dienstag zu Marathonberatungen über Optionen für das weitere Vorgehen zusammen. Am Vorabend hatte das Unterhaus erneut vier Alternativen zu deren umstrittenen Brexit-Deal mit der EU abgeschmettert. Damit droht Großbritannien in knapp zwei Wochen ein Austritt aus dem Staatenbund ohne jedes Abkommen mit ernsten Folgen für Wirtschaft und Verwaltung. Die EU-Führung drängte London angesichts der Drohkulisse eines harten Brexits zur Eile.

Die Abstimmungen im britischen Unterhaus ließen zwar eine Tendenz für eine weiche Scheidung von der EU erkennen, jedoch keine Mehrheit. Am knappsten ging denn auch das Votum über einen Antrag auf Verbleib in der Zollunion aus, die einen reibungslosen und zollfreien Handel mit Gütern garantiert – dieser wurde mit 276 zu 273 Stimmen abgelehnt. Gegen den Verbleib im Binnenmarkt für Waren und Dienstleistungen sowie Personenfreizügigkeit sprachen sich die Abgeordneten mit 282 zu 261 Stimmen aus. Der dritte Vorschlag, zu jeglichem Brexit-Deal mit der EU eine weitere Volksabstimmung abzuhalten, fiel mit 292 zu 280 Stimmen durch.

Am deutlichsten war das Nein zur Option, den Brexit ganz abzusagen, sollte zwei Tage vor dem Stichtag eines ungeordneten Ausstiegs am 12. April keine Option gefunden worden sein: Dagegen votierten 292 Abgeordnete, 191 waren dafür.

Der Abgeordnete Nick Boles erklärte seinen Austritt aus Mays Konservativer Partei, nachdem eine seiner Brexit-Alternativen im Unterhaus abgelehnt wurde. Seiner Partei warf er mangelnde Kompromissbereitschaft vor. Boles hatte einen Verbleib im Binnenmarkt vorgeschlagen.

Neuwahlen auch möglich

Nach den Abstimmungsergebnissen steht Mays konservative Regierung vor heiklen Entscheidungen. Sie könnte Großbritannien über die Klippe eines ungeregelten Austritts springen lassen. Möglich wären auch Neuwahlen in der Hoffnung auf eine Kompromisslösung durch mögliche neue Kräfteverhältnisse im Parlament, doch fürchten Mays konservative Torys dann eine Machtverschiebung zugunsten der Labour-Partei. Als wahrscheinlich gilt nun, dass die als zäh bekannte Regierungschefin ihren schon drei Mal abgelehnten Austrittsvertrag diese Woche erneut ins Parlament einbringt.

Brexit-Minister Stephen Barclay ließ bereits durchblicken, dass die Regierung weiter um Unterstützung für Mays Deal kämpfen werde. „Das (Unter-) Haus hat stets ausgeschlossen, ohne Deal auszuscheiden, genauso wie es ausgeschlossen hat, (die EU) überhaupt nicht zu verlassen“, sagte er. „Daher ist die einzige Option, einen Weg zu finden, der Großbritannien erlaubt, mit einem Deal zu gehen.“ Am Mittwoch sind im Unterhaus weitere Abstimmungen zu Brexit-Optionen vorgesehen.

Eigentlich hätte das Land am 29. März die EU verlassen sollen. Doch wegen der fehlenden Parlamentsmehrheit für Mays Abkommen mit Brüssel wurde die Frist von der EU bis zum 12. April verlängert. Sollte das Parlament ihren Pakt doch noch billigen, würde Großbritannien am 22. Mai austreten. Ansonsten müsste das Land bis 12. April einen neuen Plan vorlegen.

Sondergipfel in Brüssel

Die EU-Führung hat für den 10. April einen Sondergipfel angesetzt, um über eine mögliche Bitte Londons um einen längeren Brexit-Aufschub zu beraten – oder Vorbereitungen für einen britischen Austritt ohne Deal zu treffen. Heikel wäre eine weitere Gnadenfrist für Großbritannien auch, weil es dann wohl an der Wahl zum Europaparlament Ende Mai teilnehmen müsste.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mahnte, es sei an der Zeit, dass das britische Parlament sage, was es wolle. Und Guy Verhofstadt, der Brexit-Koordinator des EU-Parlaments, warnte auf Twitter: „Ein harter Brexit wird beinahe unvermeidlich. Am Mittwoch hat Großbritannien eine letzte Chance, aus der Sackgasse rauszufinden oder sich dem Abgrund zu stellen.“

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