„Welt“-Autorin gefeuert: Hickhack um Salomé Balthus

Die Sexarbeiterin hatte in ihrer Kolumne auch Vorwürfe gegen einen Schweizer Talkmaster erhoben. Nun ist sie gefeuert. Oder?

Salomé Balthus in einer Talkshow.

Hanna Lakomy nennt sich auch Salomé Balthus – und schrieb bis vor kurzem für die „Welt“ Screenshot: SRF

BERLIN taz | Sie fand es unverschämt, im Fernsehen nach Missbrauchserfahrungen in der Kindheit gefragt zu werden. Nun darf die Autorin und Escort-Dame Salomé Balthus nicht mehr ihre Kolumne in der Welt schreiben. Die Digitalsparte des Blattes hat Balthus’ Kolumne „Das Kanarienvögelchen“ eingestellt, nachdem die Autorin in einem Text vom Sonntag Vorwürfe gegen den Talkmaster Roger Schawinski erhoben hat – und diesen dabei unsauber zitierte.

Salomé Balthus schreibt seit 2018 für die Welt über Prostitution und Feminismus, „eine linke Kolumne in einem rechtsliberalen Medium“, wie sie gegenüber der taz sagt. Kürzlich war sie zu Gast in der SRF-Talksendung des Schweizer Journalisten Roger Schawinski, worüber sie in ihrer jüngsten Kolumne schreibt. Darin kritisiert sie, der 73-Jährige Schawinski habe gefragt, ob sie als Kind von ihrem Vater (dem DDR-Musiker Reinhard Lakomy) sexuell missbraucht worden sei. Im Wortlaut ist dies wohl nie gefragt worden.

„Dies können wir nicht tolerieren, denn so ein Vorgehen entspricht nicht unseren journalistischen Leitlinien“, begründet ein Welt-Sprecher die Trennung von Balthus. Deswegen habe man „den irreparablen Text“ gelöscht und die Kolumnistentätigkeit von Balthus für beendet erklärt. „Es ist natürlich unverzeihlich, falsch zu zitieren“, räumt Balthus gegenüber der taz ein. „Aber ich hatte nicht die Absicht zu täuschen.“

An ihrer grundsätzlichen Kritik hält sie jedoch fest. Denn: In der Tat stellte Schawinski in der Sendung, die am Montag im Schweizer Fernsehen ausgestrahlt wurde, eine Frage zum Missbrauch – nach einem Einspieler, in dem Alice Schwarzer behauptet, eine „überwältigende Mehrheit“ der Prostituierten habe „in der Kindheit sexuellen Missbrauch erfahren“. Direkt im Anschluss an den Clip fragt Schawinski: „Ist das auch bei Ihnen der Fall gewesen?“

Don Alphonso bietet Zusammenarbeit an

Ein bekanntes Diskreditierungsmuster sei es, Prostitution als Folge eines Traumas darzustellen, sagt Balthus jetzt. „Diese Art von Frage wollte ich in meiner Kolumne entlarven.“ Mit weitreichenden Folgen: Denn kurz nach Veröffentlichung wurde der Text kommentarlos von welt.de gelöscht – nach einem Anruf von Schawinski in der Redaktion, heißt es in Schweizer Medien. Eine „arge Verunglimpfung meiner Person und meiner Integrität als Journalist“ sei die Kolumne für den Talkmaster gewesen, wird Schawinski zitiert.

Nicht nur, dass der Text getilgt wird, Salomé Balthus erhält die Kündigung – per E-Mail von Welt-Digitalchef Oliver Michalsky, wie sie sagt. „Das hat mich total schockiert, ich bin unglaublich wütend.“ Sie habe bislang bei der Welt immer schreiben können, was sie wollte – sie habe sich für den Zitierfehler außerdem bei Michalsky entschuldigt. Man könne sich keinen Relotius leisten, soll laut Balthus in der Mail an sie stehen. Ein Gespräch habe es nicht gegeben, auf Mails und Anrufe von Balthus und ihres Agenten hätten weder Michalsky noch Chefredakteur Ulf Poschardt reagiert.

Dafür aber ein anderer Welt-Autor: Rainer Meyer (bekannt als Rechtsaußen-Kolumnist Don Alphonso) habe Balthus eine Zusammenarbeit für die Reihe „Die Stütze der Gesellschaft“ angeboten. Seitens der Welt heißt es auf Nachfrage, es gebe das Angebot an ­Balthus, eine gemeinsame Kolumne mit Meyer zu schreiben. Die aber winkt ab: „Auf keinen Fall werde ich mit dem Zusammenarbeiten, das wäre ja Selbstmord“, sagt sie.

Meyer stehe für das Gegenteil von dem, was sie schreibe. Stattdessen denke sie darüber nach, den von welt.de gelöschten Text auf ihrem eigenen Blog zu veröffentlichen. Wie es zusammenpasst, dass man einer Autorin einen Verstoß gegen die „journalistischen Leitlinien“ attestiert, um sie dann für eine Kolumne unter Aufsicht anzufragen, das erklärt man bei der Welt nicht.

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