Deutschlandtakt der Bahn: Finanzierung ist noch ungewiss

Ab 2021 sollen die Anschlüsse im Bahnverkehr besser werden. Aber die Bundeszuschüsse für den Ausbau der Infrastruktur reichen nicht aus.

Ein ICE fährt im Berliner Hauptbahnhof ab. (Wischeffekt durch Mitziehen)

Im 30-Minuten-Takt von Berlin nach Hamburg: Schön wär's, aber wer finanziert es? Foto: dpa

BERLIN taz | Die Bahnbranche klopft sich derzeit selbst kräftig auf die Schulter. Denn der Deutschlandtakt nimmt allmählich Formen an. 2021 soll es in den ersten Regionen einen zwischen Fern- und Nahverkehr abgestimmten Fahrplan geben, der halbstündliche oder stündliche Verbindungen mit perfekten Anschlüssen zwischen den Städten vorsieht. Die Deutsche Bahn setzt mit dem Fahrplanwechsel im kommenden Dezember ein erstes Zeichen. Dann sollen die Züge zwischen Berlin und Hamburg alle 30 Minuten verkehren.

Das feierte die Branche beim „Schienengipfel“ an diesem Mittwoch im Verkehrsministerium. „Wir wollen den Flugverkehr nach und nach zurückdrängen“, sagt etwa der Schienenbeauftragte der Bundesregierung, Enak Ferlemann. Minister Andreas Scheuer (CSU) erhofft sich einen „Wow-Effekt“, wenn das Bahnfahren endlich einmal reibungslos funktioniert.

Die aktuelle Planung des Netzes nährt solche Hoffnungen. Zwischen den großen Knotenbahnhöfen werden Hochgeschwindigkeitszüge mit 250 oder 300 Kilometer pro Stunde verkehren. Die optimierte Auslastung in Erfurt wird den Takt in Ostdeutschland vorgeben, in Mannheim für das Rhein-Main-Gebiet und den Südwesten. Der Ausbau in Köln erschließt Nordrhein-Westfalen. Die Neubaustrecke Würzburg–Nürnberg ermöglicht den Taktverkehr in Bayern.

Dazu werden Berlin und das Rheinland sowie Hamburg und Stuttgart per schnellem ICE verbunden. Die Fahrt von Bonn nach Berlin dauert dann nur noch vier Stunden. Ähnlich wie auf der Strecke von Berlin nach München wird die Bahn attraktiver sein als das Flugzeug. Ende dieses Jahres soll der Plan für den Takt fertig sein.

Die Digitalisierung kostet bis zu 30 Milliarden Euro

Allzu großer Jubel ist allerdings verfrüht. Denn viel mehr als ein Luftschloss hat der Verkehrsminister bislang nicht zu bieten. Die notwendige Finanzierung für den Ausbau der Infrastruktur ist nicht gesichert, wie die Experten einräumen. Allein die Digitalisierung der Strecken wird bis zu 30 Milliarden Euro kosten. Notwendig ist sie, um die Züge in engerer Zeitfolge zu fahren. Weitere Milliarden kommen durch die Ausbauten der Knotenbahnhöfe, den Kauf neuer Züge, die Sanierung von Brücken und Trassen hinzu.

Ab Dezember sollen die Züge zwischen Berlin und Hamburg alle 30 Minuten fahren

Die jährlich für die Instandhaltung vorgesehenen Bundeszuschüsse in Höhe von fünf Milliarden Euro reichen dafür bei weitem nicht aus. „Wir haben in den letzten Jahren viele gute Absichtserklärungen gehört, jetzt geht es darum, die Absichten durch konkrete Finanzierungszusagen im Bundeshaushalt zu untermauern“, warnt Dirk Flege, Chef des Verbands Allianz pro Schiene, der unter anderem von Umweltorganisationen und Bahnunternehmen getragen wird.

Der bahnpolitische Sprecher der Grünen, Matthias Gastel, hält dies für einen „Lackmustest, wie ernst es Scheuer mit den Ankündigungen meint“. Gastel fordert, dass auch die Mittel für den Netzausbau von derzeit 1,2 Milliarden Euro auf drei Milliarden Euro aufgestockt werden.

Ebenso ungewiss ist Scheuers Wunsch, die Mehrwertsteuer für Fernverkehrsfahrten von 19 Prozent auf 7 Prozent zu senken. Bislang hat Finanzminister Olaf Scholz (SPD) noch keinen Ehrgeiz an den Tag gelegt, für sinkende Ticketpreise zu sorgen. Noch an vielen anderen Stellen listet der Zwischenbericht des Zukunftsbündnis Schiene, in dem Bahnwirtschaft, Wissenschaft und Politik zusammenarbeiten, Handlungsbedarf auf. Selbst der Fachkräftemangel könnte die ambitionierten Taktpläne verhindern.

Schließlich deutet Ferlemann schon an, dass die Trassenkapazitäten auch bei allen Ausbauanstrengungen nicht für alle Anbieter im Nah-, Fern- und Güterverkehr reichen werden. Es müssten Entscheidungen in dieser Konkurrenz getroffen werden. „Im Herbst wird es eine Nacht der langen Messer geben“, ahnt der Schienenbeauftragte.

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