Museum Europäischer Kulturen: Ein Museum für Europa

Während seine Nachbarn ins Schloss ziehen, bleibt das Museum Europäischer Kulturen in Dahlem. Am Sonntag feiert es 20. Geburtstag.

Trachten hinter Glas

So traute man sich in der Schwalm: „Hochzeitsträume“ in Dahlem Foto: David von Becker/smb

Da besucht man in dieser topmodernen und in jeder Hinsicht vielstimmigen Stadt ein großes Museum – und wird auf einen Schlag gleich Jahrzehnte zurückgeworfen. Mitten im Museum Europäischer Kulturen (MEK) in Dahlem, in der aktuellen Ausstellung namens „Hochzeitsträume“: im Glaskasten zwei Schwälmer Trachten aus dem Bundesland Hessen.

Die weibliche wirkt wie die einer recht pummeligen Braut, wegen der neun Röcke, die übereinander gehörten, man musste ja Reichtum demonstrieren. Die grünen Glaskugeln in der Haube, der reich bestickte Brustlatz: Es ist, als wollte diese Tracht etwas sagen. So etwas wie: Kann ja sein, liebe Autorin dieser Zeilen, dass du dich in dieser Stadt zu Hause fühlst. Vielleicht fühlst du dich auch noch in ein paar anderen Städten wohl, die du schon besucht hast. Aber ich bin trotzdem das, der Ort, wo du nun mal herkommst.

Vielleicht waren es ähnliche Empfindungen, die vor ein paar Jahren die Entscheider in dieser Stadt dazu bewogen, dass zwei der drei großen Museen in Dahlem ins Zentrum rücken sollten. Doch während nun das Museum für Asiatische Kunst und das Ethnologische Museum künftig im Humboldt Forum beheimatet sein sollen, muss das MEK, das an diesem Wochenende mit einem Nachbarschaftsfest seinen 20. Geburtstag feiert, bleiben, wo es ist.

Möglicherweise waren diese Entscheider peinlich berührt, als sie all die vermeintliche Folklore aus Oberbayern und Schlesien und höchstens noch Sizilien sahen, die dieses Museum zu bieten hat. Und dachten sich, dass es vielleicht glanzvoller und kosmopolitischer rüber käme, wenn sich Berlin in seinem Zentrum im Schloss mit Südseeboten und chinesischer Seidenmalerei präsentieren würde. Sie sahen nicht das Potenzial, das in den stolzen 280.000 Objekten der Sammlung dieses Museums steckt.

Vielfalt:

Mit 280.000 Exponaten gehört das Museum Europäischer Kulturen (MEK) in der Arnimallee 25 zu den größten Einrichtungen seiner Art. Es entstand 1999 aus der Zusammenlegung des Museums für Volkskunde mit der Europäischen Sammlung des Museums für Völkerkunde.

Feier:

Anlässlich des 20-jährigen Bestehens lädt das MEK am Sonntag, 12. Mai, von 14 bis 18 Uhr zum Nachbarschaftsfest in den Museumsgarten. Es gibt ein Veranstaltungsprogramm für die ganze Familie, zum Fest ist auch der Eintritt ins Museum frei.

Denn natürlich ist die Zurschaustellung von Schwälmer Trachten und ähnlichen Objekten im MEK in Zeiten, in denen das Konzept Europa wieder sehr infrage steht, alles andere als piefig, wenn man sie schlau und humorvoll in Kontexte stellt.

Folge einer Fusion

Das MEK, das 1999 aus einer Fusion der Parallelmuseen für Volkskunde im Ost- und Westteil Berlins entstand, stellt sehr elegant all die wichtigen Fragen, die man heute stellen muss: Was könnte überhaupt so etwas sein wie eine europäische Identität? Wie kamen die Nationalgrenzen, die neuerdings plötzlich wieder eine größere Rolle spielen sollen, überhaupt zustande? Wie haben Handelsbeziehungen, wie hat Migration Europa geprägt?

Wie haben Handels-beziehungen, wie hat Migration Europa geprägt?

So widmet sich ein Kapitel der Hochzeitsausstellung ganz selbstverständlich einer türkischen Hochzeit in Deutschland. In der Dauerausstellung stehen italienische Souvenirs deutscher Regenten neben Döner-Attrappen aus Plastik und man erfährt, dass man in Finnland mit 1.877 Tassen jährlich deutlich mehr Kaffee trinkt als in Deutschland (1.108) und Italien (862). Man kann sich Stunden in einen „Weihnachtsberg“ aus dem Erzgebirge versenken, der auf 15 Quadratmetern und mit über 300 teils beweglichen Figuren die wichtigsten Stationen aus dem Leben Jesu darstellt – nur um kurz darauf über „Conchita Wurst auf der Mondsichel“ zu stolpern, ein Kunstwerk des in Berlin lebenden österreichischen Künstlers Gerhard Goder.

Eine der schönsten Ideen in der Dauerausstellung des MEK ist, diese immer wieder durch Fotos von Fans des Museums aufzulockern. Sie fragen sich auf kleinen, bebilderten Pappen, die überall an Fäden von der Decke baumeln, was einen Gegenstand zum Ausstellungsstück macht. Eine Frau, die aus Spanien nach Deutschland kam, zeigt ihre Kastagnetten, die sie bei einem Besuch in der alten Heimat kaufte. Eine Frau, deren Eltern aus der Türkei kamen, hat sich für einen der zahlreichen Hüte des verstorbenen Vaters entschieden, die der Zeit seines Lebens kaufte und sammelte. Der Hut ist einer dieser Hausmeister-Krause-Cordhüte.

Hüte wie diese werden bis heute gern von den letzten Kleinbauern dieses Landes getragen, wenn sie sich auf den Trecker schwingen, zum Beispiel in der Schwalm. Wahrscheinlich hätten solche Beobachtungen den durchschnittlichen Besucher aus China oder Australien, der das Humboldt Forum mal besuchen wird, mehr interessiert als Seidenmalerei und Südseeboote. Aber vielleicht ist das auch nicht so wichtig. Die Reise nach Dahlem wird diesem Besucher weniger weit erscheinen als dem durchschnittlichen Berliner.

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