Kolumne Sternenflimmern: In die soziale Offensive

Will die SPD die Agenda 2010 endgültig hinter sich lassen? Im Wahlkampf zur Europawahl geht die Partei in die soziale Offensive.

Ein Mensch läuft über einen SPD-Aufkleber mit der Aufschrift „Europa Waffeln gratis!“

Waffeln verschenken – auch eine soziale Offensive Foto: dpa

Zusammenkommen solle man „für faire Mindestlöhne in ganz Europa“, „für ein soziales Europa“, steht auf SPD-Wahlplakaten. SPD-Plakate im lifestyle-linken Berlin-Kreuzberg, gesäumt von Plakaten anderer, sich irgendwie links schimpfender Parteien, die „Kapitalismuskritik – das Original“ anbieten. Will die SPD die Agenda 2010 endgültig hinter sich lassen?

„Europas soziales Versprechen einlösen – Vorrang für soziale Grundrechte“, heißt es auch im Wahlprogramm. Das klingt besser als der Hashtag #Europaistdieantwort auf dem Programmdeckblatt. Und noch viel besser als das tautologische Wortspiel der Grünen: „Europa. Die beste Idee, die Europa je hatte“.

Aber was bedeutet diese soziale Offensive der Sozialdemokraten konkret? Die SPD möchte zum Beispiel einen europäischen Mindestlohn. Kein Vollzeitlohn in der EU dürfe unter der nationalen Armutsschwelle liegen.

Zwar ist Sozialpolitik in Europa ein Terrain nationaler Politik. Aber dass europäische Sozialpolitik möglich ist, sieht man an der europäischen Entsenderichtlinie, deren Verschärfung 2020 wirksam werden soll. Der Grundsatz: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort. Ein Vehikel gegen innereuropäische Hyperausbeutung, etwa in der Pflege- oder Baubranche.

So weit kommt es noch

Im Wahlprogramm fordern die Sozialdemokraten einen europäischen Fonds, mit dem europaweit Sozialleistungen rückversichert werden sollen. Heißt: Wenn ein Land in Not gerät, soll es aus diesem Fonds Sozialleistungen schöpfen können. Aber: Wenn es dem Land irgendwann besser geht, soll es das Geld auch zurückzahlen. Geschenke gibt es auch mit sozialen Sozialdemokraten nicht. Sind die Armen Europas nicht selbst schuld an ihrer Misere?

Für SPDler ist es wohl anmaßend zu behaupten, europäische Armut resultiere aus einer historisch zuvorderst wirtschaftlichen europäischen Integration. Oder dass Ungleichgewichte zwischen stärkeren und schwächeren Nationalökonomien bewusst in Kauf genommen wurden.

Aus einem europäischen Sozialfonds herauszugeben, ohne zurückzuverlangen – das wäre für Sozialdemokraten fatal. So fatal, wie eine demokratische Verteilung von Unternehmensgewinnen zu fordern. Und „Transferleistung“ ist keine mindere Teufelsvokabel als „Vergesellschaftung“. Wer Geschenke vergibt und mit sündhaftem Vokabular hantiert, der müsste auch über Ursachen sozialer Ungleichheit sprechen. So weit kommt es noch!

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.