Kolumne Europa-Express: Unter PS-Verrückten

Auf Schienen zu reisen hat so manche Vorteile. Der Nachteil: Manchmal landet man an Orten, an denen man lieber nicht sein möchte.

Ein Mann auf einem Motorrad vor einer jubelnden Menge

In Białystok fährt man Motorrad auf dem Laufband Foto: privat

Der Weg vom litauischen Kaunas ins benachbarte Warschau ist zäh. Mein Zug fährt unerträglich langsam und an jedem noch so kleinen Bahnhof verharren wir mindestens zehn Minuten. Langsam – schnell – stehen – weiterfahren. Dieser Rhythmus macht mich mit der Zeit unruhig.

Dann steigt auch noch eine laute und biertrinkende Männerhorde in meinen Zug. Sie feiern den Junggesellenabschied des einen und haben sich in den Kopf gesetzt, ausgerechnet mich anzusprechen und zum Mittrinken zu animieren. Meine Kopfschmerzen werden stärker. Der Sonnenbrand, den ich mir gestern in Kaunas zugezogen habe, ist zwar besser geworden, dafür fühle ich mich heute erkältet und wie überfahren.

Im polnischen Białystok muss ich schließlich auch noch umsteigen und zwei Stunden auf meinen Zug nach Warschau warten. Der Zwischenhalt in dieser mittelgroßen und mittelspannenden Stadt macht meinen Kopf nicht gerade leichter. Das Wetter ist mir zu schwül und drückend – vor allem für diese Jahreszeit.

Meine Zwangspause will ich trotzdem nutzen. Vom Marktplatz klingt Musik und ich entdecke ein kleines Straßenfest vor einer Kirche. In der Nähe gibt es ein ohrenbetäubendes Motordröhnen. Eine Gruppe von Menschen verdeckt mir zunächst die Sicht, doch dann sehe ich, woher der Lärm und der Abgasgestank kommt: Auf einem fest installierten Motorrad sitzt ein Mann in Lederkluft, der Vollgas gibt.

Während der hintere Reifen auf einem Laufband durchdreht, hebt er den vorderen in die Luft. Begeistert filmt ihn die Menge. Ich bin fassungslos. Von anderen Kuriositäten, die es bei diesem Fest noch gegeben hat, will ich gar nicht erst anfangen.

Vom 23. bis zum 26. Mai 2019 wählen die Bürger*innen der EU zum neunten Mal das Europäische Parlament. Im Vorfeld fährt Autorin Jana Lapper sieben Tage lang mit dem Zug durch sechs europäische Länder, um zu schauen, was die Menschen vor Ort tatsächlich bewegt.

Mir wird es zu viel und ich suche lieber eine Wechselstube. Polen wird auf meiner Reise nach Lissabon das einzige Land sein, in dem ich nicht mit Euro zahlen kann. Sofort vermisse ich diesen Komfort. Als ich wieder am Bahnhof ankomme, wartet glücklicherweise bereits der Zug nach Warschau auf mich. Dann ganz schnell weg von hier.

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Jahrgang 1991. Seit 2018 bei der taz, seit 2019 als Redakteurin im Auslandsressort mit Schwerpunkt online und Südosteuropa.

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