Die Wahrheit: Who am I to judge?

People are people, so why should it be? Keine Angst, der Rest der Kolumne um PoC, PC und so ist nicht auf Englisch. Jedenfalls zum größten Teil nicht.

Diese Zeilen entstehen während eines Platzregens auf einem tropischen Eiland. Ich liege unter dem fächelnden Schrappschrapp des Ventilators und ventiliere, was mir so durch den Kopf kugelt. Bei 38 Grad ist das Nachdenken gar nicht mal so easy. Auf Jamaika ist kein heiteres Nachsinnen über „Jamaika“ – die dumme deutsche Chiffre für eine Koalition aus Union, Grünen und Liberalen löst sich auf der Insel selbst sofort in heiße Luft auf.

Im ganzen Land leben weniger Menschen als in Berlin, die Leute sind – aus Gründen des kolonialen Kapitalismus und damit der Barbarei – Mestizen oder Kreolen, meistenteils afrikanischer Abstammung, also People of Color, wie das heute in aufgeklärten Kreisen heißt und keck mit „PoC“ abgekürzt wird.

Das ist okay. Wenn Manfred heute Monika, Birma morgen Myanmar oder Trivandrum gerne Thiruvananthapuram genannt werden möchte, who am I to judge? Wird schon seine Gründe haben. Warum aber ausgerechnet Schwarze „Menschen von Farbe“ genannt werden wollen, bleibt mir siebensiegelig verschlossen.

Vermutlich wäre es Frantz Fanon und Martin Luther King nicht einmal im Duett gelungen, die Menschen hier für eine Selbstzuschreibung als „Menschen von Farbe“ zu bewegen. Mein diesbezügliches Gestammel deuteten sie dahingehend, mir kein Ganja mehr anbieten zu müssen, weil ich offensichtlich schon mehr als ausreichend versorgt sei: „People of … what?“

Auf zum Pigmentvergleich!

Tatsächlich gibt es unter den „Weißen“ welche, darunter ich, die im direkten Pigmentvergleich locker mit einem Jamaikaner mithalten können. Es überwiegen aber solche, deren Haut zart ins Rosafarbene spielt, einen käsigen Stich hat, mit senffarbenen Sommersprossen besprenkelt ist oder unterschiedliche Grade der Verbrutzelung aufweist. Es gibt Aprikose, Kaffeesahne, Pfirsich, Vanille, rohes Fleisch. Von der Varianz der Haar- und der Mannigfaltigkeit der Augenfarben ganz zu schweigen.

Mein Aufenthalt als Minderheit auf dieser Insel stürzt mich in postkoloniale Verwirrung. Zumal noch ganz andere Ausbeutungslinien hier kreuz und quer laufen. Privilegiert ist, wer eine Kreditkarte hat – das kann auch die „PoC“-Touristin aus den USA sein. Die soziale Frage stellt sich auch am Strand, wo sie Hand in Hand mit der feministischen Frage in den Sonnenuntergang flaniert. Üblich ist, dass welke, „weiße“, in ihrer Heimat gewiss strukturell benachteiligte, hier aber finanzielles Oberwasser habende Frauen sich virile Loverboys halten. Ist das Ausbeutung? Sexuelle Gewalt? Rassismus? Marktwirtschaft? Who am I to judge?

Die Bodenschätze der Insel gehören übrigens Chinesen. Kostbares Bauxit wird in Förderbändern direkt auf die Schiffe geschaufelt. Im Gegenzug dürfen jamaikanische Synchronschwimmerinnen in China trainieren. Klingt nach einem fairen Geschäft.

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kari

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