In den Knast für tote Ratten vor der Haustür

Justizminister wollen, dass auch vage Bedrohungen strafbar werden. Strafmaß: bis zu einem Jahr Haft

Die Strafvorschrift könnte auch Flüchtlingshelfer gegen Drohungen schützen

Von Christian Rath

„Ich weiß, wo du wohnst“ oder „Ich kenne die Schule deiner Kinder“: Solche Drohungen sind vage, können aber trotzdem einschüchternd wirken. Das Land Niedersachsen will sie jetzt unter Strafe stellen. Am Donnerstag und Freitag berät die Justizministerkonferenz (Jumiko) in Lübeck über diesen Vorschlag.

Konkret schlägt die niedersächsische Justizministerin Barbara Havliza (CDU) vor, den Bedrohungs-Paragrafen im Strafgesetzbuch (§ 241) zu verschärfen. Bisher ist nur die Bedrohung mit einem Verbrechen, zum Beispiel Mord oder Vergewaltigung, strafbar. Die Drohung „Ich mach dich kalt“ ist also strafbar. Dagegen ist ein „Ich schlag dich“ nicht strafbar, denn die Körperverletzung ist nur ein Vergehen (Mindeststrafe unter einem Jahr) und kein Verbrechen.

Vage Drohungen oder Drohungen mit einem Vergehen können bisher allenfalls als Nötigung bestraft werden – wenn sie den Betroffenen zu einem bestimmten Verhalten zwingen sollen. „Wenn du mit deiner Flüchtlingspolitik so weitermachst, erkennst du bald dein Auto nicht mehr“, das wäre eine strafbare Nötigung.

Havliza will nun aber den Bedrohungs-Paragrafen 241 um einen sehr weitgehenden neuen Absatz ergänzen: „Ebenso wird bestraft, wer einen anderen in einer Weise bedroht, die geeignet ist, dessen ernsthafte Sorge um sein Wohl oder das einer ihm nahestehenden Person zu erregen.“ Davon könnte auch eine tote Ratte vor der Haustür erfasst sein. Die Folge wäre eine Geldstrafe oder bis zu einem Jahr Haft.

Die CDU-Ministerin begründet den Vorstoß mit der zunehmenden „Verrohung der Umgangsformen“. Aus ihr könnten „ernsthafte Gefahren für Demokratie und Rechtsstaat erwachsen“, heißt es im niedersächsischen Antrag. Solche Entwicklungen trügen dazu bei, dass „immer weniger Menschen bereit sind, Verantwortung für das Allgemeinwohl zu übernehmen“. Die vorgeschlagene Strafvorschrift gälte allerdings nicht nur für Drohungen gegen Kommunalpolitiker, Polizisten und Beamte, sie könnte zum Beispiel auch Flüchtlingshelfer gegen Drohungen von Nazis schützen.

Der Antrag hat auf der Jumiko gute Chancen. Im vorbereitenden Strafrechts-Ausschuss stimmten alle 16 Bundesländer dafür. Im Bundesjustizministerium der Noch-Ministerin Katarina Barley (SPD) äußerte man sich allerdings zurückhaltend. Das Strafrecht könne nur letztes Mittel sein. Wichtig sei auch die schnelle Löschung von Hass-Postings in sozialen Netzwerken. Eine Änderung des Strafrechts müsste letztlich der Bundestag beschließen.

Wohl kein Beleg für Gesetzgebungsbedarf ist die Ermordung des Gießener Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) am Sonntag: Zwar bekam Lübcke immer wieder Morddrohungen, nachdem er Flüchtlingsfeinde zum Auswandern aufgefordert hatte. Morddrohungen sind aber heute schon strafbar.