Kommentar Union und Grün-Rot-Rot: Das grüne Gespenst

Die CDU-Chefin feuert gegen die Grünen, weil die in Bremen lieber mit Rot-Rot regieren wollen – ein mögliches Intro für eine Grüne-Socken-Kampagne.

Annegret Kramp-Karrenbauer telefoniert

In einem Dilemma: Annegret Kramp-Karrenbauer Foto: dpa

Der Niedergang der SPD verstellt derzeit gnädig den Blick auf die Krise der Union. Auch deren Wahlergebnisse sind mies, die Aussichten auf die Wahl im Herbst in Sachsen sind ernüchternd. Die Frage, wer eigentlich das Sagen in der Partei hat, ist fast so unklar wie in der Post-Nahles-Sozialdemokratie. Kramp-Karrenbauer? Brinkhaus? Laschet? Nicht nur die SPD bleibt eher aus Not in der Regierung – das gilt auch für die Union.

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer ist in einem Dilemma. Sie soll Merkels Nachfolgerin sein, während Merkel weiterhin über allem thront. Das ist mehr als nur ein machttaktischer Konstruktionsfehler. Denn Kramp-Karrenbauer hat eine schwer erfüllbare doppelte Mission. Sie soll Merkels liberales Erbe bewahren, aber auch die Konservativen bedienen. Darin fokussiert sich ein ungelöster Richtungsstreit. Bleibt die Union liberale Merkel-Partei, die jederzeit mit den Grünen regieren würde? Oder sendet sie verstärkt Signale nach rechts, holzt mal gegen Linksliberale und konkurriert klammheimlich mit der AfD? Dieser Konflikt findet sich spiegelbildlich auch in der SPD.

Es verwundert nicht, dass Kramp-Karrenbauer in dieser Lage gegen die Grünen feuert, weil die in Bremen lieber mit SPD und Linkspartei regieren wollen. Gegen links geht in der Union ja immer. Im Saarland hat Kramp-Karrenbauer 2017 geschickt die Vorbehalte gegen die Linkspartei und Lafontaine für ihren Wahlsieg genutzt. Wer Grün wählt, bekommt Dunkelrot – das mag das Intro für eine Art Grüne-Socken-Kampagne sein, mit der die Union künftig eigene Unklarheiten überspielt.

Strategisch günstige Mitte

Das wird aus drei Gründen eher nicht gelingen. Die Linkspartei regiert solide mit Bodo Ramelow in Thüringen und mit Klaus Lederer in Berlin und ist als Schreckgespenst nur noch bedingt tauglich. Und: Eine Extremismuskampagne funktioniert eher gegen eine moderat linke Partei wie die SPD, der irgendwie Nähe zur Linkspartei angeklebt werden kann.

Die Linkspartei regiert solide mit Bodo Ramelow in Thüringen und mit Klaus Lederer in Berlin und ist als Schreckgespenst nur noch bedingt tauglich

Im System nach den Volksparteien zeichnet sich eine neue Architektur ab: rechts Union und FDP, links SPD und Linkspartei, in der Mitte die Grünen. Die Mitte ist für Koalitionen der strategisch günstigste Ort. Dort existieren die meisten Schnittmengen. An einer Mitte-Partei perlen Extremismuskampagnen ab. Die Verdachtsrhetorik kann sogar nach hinten losgehen. Warum ist die Union eigentlich so scharf darauf, mit unsicheren Kantonisten wie den Grünen zu regieren?

Schließlich lautet das Signal, das die grüne Führung sendet: Sie würde im Bund eigentlich lieber mit der Union regieren. Und nur, wenn es nicht anders geht, mit SPD und Linkspartei.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.