FAHRRADPREDIGT IN BERNAU
: Ooch Scheiße

Aus mir heraus fragte jemand prompt: „Parfum?“

Nachdem ich ein riesiges Loch im Hinterreifen meines Rads geflickt hatte, war mir klar, dass sehr bald ein neuer Mantel hermusste. Die Woche verging, und der Freitag kam. Ich saß schon am frühen Morgen in der S-Bahn. Noch im Waggon pumpte ich kräftig auf. In Bernau fuhr ich gut gelaunt los. Es war der erste richtig heiße Tag seit Wochen, der Himmel blau. Ich freute mich so, dass es ein Weile dauerte, bis ich merkte, dass das Hinterrad unrund lief. Beim Aufpumpen hatte sich der Schlauch einen Weg durch ein Loch im Mantel gebahnt und eine große schwarze Blase ausgebildet.

Ich nahm bald darauf eine ähnliche Form an. Der Bernauer Fahrradhändler machte mich rund. Erstens hätte die Decke längst ausgewechselt werden müssen, sagte er. Er habe nur einen passenden Mantel da. Wer zweitens mit dem Rennrad aufs Land fahre, habe gefälligst zwei Ersatzschläuche mitzunehmen. Diese flicke man niemals, sondern tausche sie aus. Er habe jetzt grade keine da. Drittens predige er seinem Rennrad fahrenden Vater seit Jahren, er solle umrüsten und fürderhin auf die Schläuche mit den anfälligen französischen Ventile verzichten: „Aus Frankreich is noch nie wat anderet als Scheiße jekomm’.“

Aus mir heraus fragte zu meiner eigenen Überraschung jemand prompt: „Parfum?“ In der Tat, das Beispiel müsste den Mann doch zur Rücknahme seiner gewagten Tatsachenbehauptung bewegen. Doch der glatzköpfige Radhändler konterte nur mit einem knappen „Wat?“. Ich probierte es noch mal, diesmal mit teutonischer Aussprache: „Parfüm?“ Aber auch bei dieser urfranzösischen Kunst wollte der Mann keine Ausnahme gelten lassen: „Is ooch Scheiße.“

Es wurde noch viel und herzlich geflucht. Eine halbe Stunde später hatte ich eine aufgebohrte Felge, in die auch die deutschen Hochqualitätsschläuche von Schwalbe und ihre dicken Ventile passen. ULRICH GUTMAIR