Ermächtigungsgesetz in Ungarn: Orbáns Corona-Coup

Jetzt kann er durchregieren – auf unbestimmte Zeit. Die EU reagiert mit Appellen und so. Orbán wird's nicht kümmern.

Victor Orbán steht als einziger, die Parlamentarier sitzen um ihn herum

Das Parlament? Braucht Orbán jetzt nicht mehr Foto: Zoltan Mathe/MTI/dpa

Nichts geht mehr in Zeiten von Corona? Von wegen. Für Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán geht jetzt alles. Mit dem weitreichenden Ermächtigungsgesetz, das am Montag durch das Fidesz-dominierte Parlament gepeitscht wurde und das vorgeblich einer effizienten Bekämpfung der Pandemie dienen soll, kann der Führer einer „illiberalen Demokratie“ per Verordnung und mit Sondervollmachten komplett durchregieren. Oder anders gesagt: Endlich ist der Weg frei, um auch noch den traurigen Restbestand an Demokratie, Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit zu demontieren und mit den letzten verbliebenen KritikerInnen dieses irrsinnigen Kurses Tabula rasa zu machen. Und das alles gilt, wie praktisch, auf unbestimmte Zeit.

Dabei lohnt es sich, wie immer bei Orbán, genau hinzusehen. So sollen diejenigen, die bewusst Falschinformationen verbreiten, mit mehrjähriger Haft bestraft werden können. Dass derart schwammige und krude Vorschriften vor allem auf JournalistInnen zielen, ist klar, und was sie in der Praxis bedeuten, kann man bereits bei Orbáns Bruder im Geiste, Russlands Präsidenten Wladimir Putin, besichtigen. Aber in Sachen Gleichschaltung und Kriminalisierung unabhängiger Medien hat der Budapester Rechtsausleger ja ohnehin schon wertvolle Vorarbeit geleistet.

Die politische Opposition dürfte ebenfalls weiter unter Druck geraten. Denn wann, wenn nicht jetzt, kann Orbán sein geliebtes Narrativ vom „Volksverräter“ für seine KritikerInnen publikumswirksam noch weiter strapazieren.

Auch im Ausland lauert übrigens Verrat – in Gestalt des US-Milliardärs Georges Soros. Der will über seine Stiftung eine Million Euro für den Kampf gegen das Virus nach Ungarn schicken. Doch wieso sollte ein Mann, der laut Orbán Ungarn mit „Geflüchteten fluten will“, plötzlich nicht aus niederen Beweggründen handeln?

Angesichts von Orbáns Durchmarsch reagieren die Europäische Union, deren Rechtsstaatsverfahren gegen Budapest in der Warteschleife hängt, und der Europarat wie schon so oft: mit Appellen, Kritik und verhaltenen Drohungen. Was Orbán davon hält, hat er mehr als einmal klargemacht: Nichts. Warum sollte das ausgerechnet jetzt, wo Orbáns eigener Machtausbau noch geschmeidiger vonstatten gehen wird, anders werden?

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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