Ein Koffer voller Liebe

Am Donnerstag stellte die Senderfamilie aus ProSieben, Sat.1, Kabel 1 und N24 den Werbekunden ihre Programm-Highlights für die kommende Saison vor – da muss man einfach dabei gewesen sein!

VON CHRISTOPH SCHULTHEIS

Zuerst vielleicht ein Witz: Adolf Hitler ist nicht tot, sondern wohnt in Berlin-Kreuzberg und bastelt an einem Mautsystem für die Autobahn.

Und falls der Witz jetzt hier nicht funktionieren sollte, muss man vielleicht dabei gewesen sein: beim „2. Deutschen Premierentag“ in Essen, wo die ProSiebenSat.1-Vermarkter SevenOne Media am Donnerstagabend mit viel Gewese die Programmhighlights der Sender ProSieben, Sat.1, Kabel 1 und N24 für die kommende Saison präsentierten und der Komiker Michael Mittermeier vor über anderthalbtausend „Vertretern Werbung treibender Unternehmen und Agenturen“ den eingangs zitierten Hitler-Witz machte, der mit der Veranstaltung selbst allerdings nicht das Geringste zu tun hat.

Aber seit es die Kölner „Telemesse“ nicht mehr gibt, macht man das so bei ProSieben Sat.1: Man lädt sich die Mediaplaner zu Häppchen, Drinks und einem mehrstündigen Programmvorschauspektakel mit Liveauftritten von Sarah Connor, Nena oder Bryan Ferry ein.

Dann kommen Kai Pflaume, Stefan Raab oder Hans-Dietrich Genscher auf die Bühne. Wenn’s sein muss, wird auch live nach L.A. zu Heidi Klum geschaltet.

Und wer sich besser auskennt, sagt, beim „1. Deutschen Premierentag“ im letzten Jahr sei’s irgendwie noch exklusiver zugegangen. Aber wen kümmert’s? Was zählt, ist schließlich das Programm – und das sieht fürs nächste Jahr ungefähr so aus:

ProSieben

Natürlich gibt es neue Staffeln von „Desperate Housewifes“, „Lost“ und „Stromberg“, Kinofilme wie „Fluch der Karibik“ und „Minority Report“, ein bisschen Comedy mit Annette Frier, Hans Werner Olm und Axel Stein sowie die üblichen Turmspring-, Stock Car-, Wok-WM- und „Bundesvision Song Contest“-Events von Stefan Raab.

Merken sollte man sich vielleicht die US-Serientitel „Grey’s Atonomy“ oder „Numbers“. Und „Galileo“ dauert künftig eine volle Stunde.

Kabel 1

Neben „den besten Filmen aller Zeiten“ und amerikanischen TV-Serienklassikern wie „Miami Vice“ oder den (vor Jahren im ZDF gefloppten) „Sopranos“ usw. hat Kabel 1 aus eher unerfindlichen Gründen auch eine irgendwie vielversprechende Doku-Fiction über das Leben auf fremden Planeten („Extraterrestrial“) eingekauft.

N24

Der nach Eigenangaben „führende deutsche Nachrichtensender“ will nach eigenen Angaben „Nachrichtenvollprogramm“ werden und kündigt fürs Jahr 2006 eine Talkshow mit Arabella Kiesbauer an.

Sat.1

„Wir kopieren nicht!“ sagte Sat.1-Chef Roger Schawinski. Und abgesehen von der „Sabine Christiansen“-Variante mit Bettina Rust, die bereits nächstes Wochenende startet, abgesehen auch von einer Fortsetzung des Vorabenderfolgsformats „Verliebt in Berlin“, gibt’s auf Sat.1 wie jedes Jahr einen aufwendigen TV-Zweiteiler („Die Luftbrücke“) und die üblichen TV-Movies („Ein Koffer voller Liebe“, „Noch einmal Leben“, „Ich liebe das Leben“, „Ein Koffer voller Leben“, „Noch einmal Liebe“, „Ich lebe das Lieben“ bzw. „Eine Liebe in Saigon“ mit Desiree Nosbusch).

Vormerktipps für Bescheidwisser: die Comedy „Pastewka“, die Serien „Unter den Linden“ (eine Fiction-Version der ARD-Zeitreisedoku „Gutshaus 1900“), „Bis in die Spitzen“ und „8 Days“ sowie die vielleicht ganz lustige Schabernack-Dokusoap „Frauenhelden“ mit vier selbstgefälligen Männern und nach dem Vorbild von „Mein dicker, peinlicher Verlobter“.

Fazit

Es bleibt so ziemlich alles wie gehabt, nur das Sat.1-Programm wird vielleicht wieder interessanter. Und die obige Behauptung, was zähle, sei schließlich das Programm, ist selbstverständlich Quatsch.

Denn richtig interessant war eigentlich, was die SevenOne den Mediaplanerhorden jenseits der Edelfisch- und TV-Häppchenorgien anzubieten hatten. Von iTV, IPTV und DVB-H war da die Rede und davon, wie und wo überall wir demnächst fernsehen können oder wollen (oder wollen sollen). Und für die Werbepause zwischendurch verkündeten die Programmvermarkter dann, „die exklusiven Erstnutzungsrechte von ‚Visible World‘ für den deutschen Markt gesichert“ zu haben. Und das ist eigentlich nur eine Technik, mit der ein Werbespot „auf Basis eines Baukastenprinzips aus verschiedenen vorproduzierten Einzelteilen“ zusammengebastelt und noch wenige Minuten vor seiner Ausstrahlung verändert werden kann.

Doch dass ein Autohersteller beispielsweise damit künftig aufs Wetter reagieren und bei Regen für sein tolles Bremssystem, bei Sonnenschein fürs Schiebedach werben kann, ist letztlich vielleicht doch innovativer als die von Kabel 1 angekündigte Liveübertragung eines Kreisliga-Fußballspiels mit dem SSV Hacheney, oder?