Erst wird geklickt, dann gelöscht

PROPAGANDA Die Internetgemeinde ist bestens informiert

BERLIN taz | Fast jeden Morgen erhalten chinesische Medienredaktionen eine Anweisung der Informations- und Propagandabehörde. Darin steht, über welche Themen sie berichten dürfen und über welche nicht. Über den Auftakt des Mordprozesses am Donnerstag gegen Gu Kailai dürfen sie ausdrücklich nicht berichten. Und dennoch ist neben den meisten Journalisten auch Chinas gigantische Internetgemeinde insgesamt bestens informiert. Die sozialen Netzwerke machen es möglich.

„Der spannendste Prozess seit der Verurteilung der Viererbande nach der Kulturrevolution“, schrieb am Dienstag ein Blogger auf dem Twitter-ähnlichen Dienst Sina-Weibo, was sogleich 102.296 Klicks und Tausende von Kommentaren nach sich zog, bevor der Eintrag wahrscheinlich von Sina gelöscht wurde. Der Prozesstermin, den Anwälte des ermordeten Heywoods bekannt gaben, rauschte ebenfalls unverzüglich durch die chinesischen sozialen Netzwerke.

Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua hat vor einigen Tagen zwar vorab über den Prozess gegen Gu Kailai informiert und auch breit aus der Anklageschrift zitiert (siehe Text links), ließ aber die Kommentarfunktion abschalten. Wie ein Mikroblogger auf einem separaten Eintrag bemerkte: Xinhua befürchte einen „Goushi Fengbao“ („Hundescheißesturm“). Auf Neudeutsch: Shitstorm.

FELIX LEE