Brandbrief: Polizeichef unter Beschuss

Ranghohe Polizeiführer erheben schwere Vorwürfe gegen Präsident Werner Jantosch und seine Führungsriege. Im Präsidium herrsche ein "Kartell des Schweigens".

Ausgekuschelt: Polizeipräsident Werner Jantosch wird aus den eigenen Reihen kritisiert. Bild: dpa

Ranghohe Polizeiführer fahren schwere Geschütze gegen die Führungsriege der Polizei auf. In einem Brief "In Sorge um die Polizei in Hamburg" werfen sie Polizeipräsident Werner Jantosch einen diktatorischen Führungsstil vor. Ein weiterer Vorwurf: Die Polizeidirektoren Kuno Lehmann und Peter Born würden in "Schillscher Tradition" ein "Kartell des Schweigens" über die Verfassung der Polizei ziehen.

Es gebe in der Polizeiführung weder "Nachdenklichkeit noch Selbstkritik - geschweige Änderungsbereitschaft", heißt es in dem Brief, der der Hamburger Morgenpost zugespielt wurde. So wurden Projekte wie die Videoüberwachung des Kiezes, Online-Durchsuchungen und Kennzeichen-Scanning, die schon im Vorfeld als verfassungsbedenklich galten, trotzdem angeschoben. Zum Teil wurden diese später gerichtlich gestoppt - ernst genommen worden seien diese Rüffel jedoch nicht.

Obwohl Lehmann und Born mehrere Rügen durch die Gerichte kassiert haben, hatten sie auch ihre demonstrationsfeindliche Praxis fortgesetzt. So ließ Born im August 2008 einen Stadtteilspaziergang im Rahmen des Antirassistischen Camps am Spielbudenplatz gewaltsam auflösen, zeitgleich verfügte er, eine Demonstration vor dem Kohlekraftwerk Moorburg aufzumischen - beide Maßnahmen wurden später von Gerichten als rechtswidrig eingestuft. Auch als am Tag nach der Moorburg-Demo eine Kundgebung des Camps gegen Abschiebepolitik am Flughafen für eine Dauer bis 19 Uhr gerichtlich festgelegt worden war, ließ Born die Demo um 15 Uhr nach den ursprünglichen Polizeivorgaben abbrechen. Auch der Polizeieinsatz am 1. Mai 2008 war kräftig daneben gegangen, da die Polizeiführung den Aufmarsch von 1.500 Neonazis - darunter 500 autonomen Nationalisten - völlig falsch einschätzte. Es kam zu heftigen Krawallen. Es bestehe "panische Angst" vor kritischer Berichterstattung, so der Brief. Deshalb werde "kein Problem und Missstand intern mehr diskutiert, schwierige Großeinsätze aus dieser Angst heraus nicht mehr selbstkritisch nachgearbeitet".

Wer sich dennoch kritisch über die "fragwürdige Machtkonzentration" äußere, müsse damit rechnen, diffamiert und auf bedeutungslose Posten abgeschoben zu werden, so die Verfasser. "Mittlere Vorgesetzte werden als widerspruchslose Befehlsempfänger herabgewürdigt". Jantosch wird überdies vorgeworfen, die Öffentlichkeit bei Prestigeobjekten wie der Reiterstaffel über Kosten und "Nutzungsmöglichkeiten zu täuschen". Die CDU betrachte die Polizei als ihr Eigentum, während die Grünen über die Polizei reden, "aber keinen Anspruch auf Mitgestaltung erheben."

Polizeipräsident Jantosch lehnt eine Stellungnahme ab. "Auf einen anonymen Brief antwortet er nicht", sagt sein Sprecher Mirko Streiber. Es gebe Möglichkeiten, "Kritik intern zu äußern." Auch die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Antje Möller, möchte sich zu anonymen Vorwürfen nicht äußern.

"Die massiven Vorwürfe gegen den Polizeipräsidenten bedürfen dringend der lückenlosen Aufklärung durch den Innensenator", sagt Uwe Koßel, Landes-Chef der Gewerkschaft der Polizei. Der SPD-Innenpolitiker Andreas Dressel zeigt sich "besorgt", wenn Jantosch die Polizei "aus dem Küchenkabinett" führt. "Man kann den Schritt der führenden Polizeibeamter gar nicht hoch genug bewerten", sagt Christiane Schneider von der Linken. Sie hoffe, dass der Brief eine öffentliche Diskussion über Transparenz und unabhängige Kontrollinstanz in Gang setze.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.