Das Ränkespiel der elfischen Waldbewohner

BAROCKOPER Im Kulturstall und auf der neuen Freilichtbühne zeigt das Festival Sommeroper Schloss Britz „Pyramus und Thisbe“

Der Sopranpart wird, wie bei dem heutigen Kastratenmangel allgemein üblich, als Hosenrolle gegeben

Pyramus und Thisbe kennt man, als handelsüblich halbgebildete Person, meist nur über den Umweg über Shakespeare. In dessen „Sommernachtstraum“ findet sich eine Handvoll Handwerker im Wald zusammen, um die Tragödie von dem unglücklich liebenden Paar zu proben, und gerät dabei in das zauberische Ränkespiel der elfischen Waldbewohner. Dass zu Shakespeares Zeiten auch Handwerkern das Schicksal des Pyramus und seiner Thisbe vertraut war, verweist darauf, dass es einst zum Allgemeinwissen gehörte. Als Erster hatte Ovid das tragische Los des Vorgängerpaares von Romeo und Julia in den „Metamorphosen“ geschildert.

Da Neukölln ein sehr bodenständiger Stadtteil ist, dürfen auch Zettel und seine Handwerkerfreunde nicht fehlen, wenn die Sommeroper im Schloss Britz Johann Adolf Hasses heutzutage kaum noch gespielte Oper „Piramo e Tisbe“ von 1769 in der Erstaufführung einer eigens hergestellten deutschsprachigen Fassung auf die Bretter des Kulturstalls bringt. Zwischen den beiden Sätzen der Barockoper wird ein knapp einstündiges Zwischenspiel auf dem Theater gegeben, eine modernisierte Version der Shakespeare’schen Handwerkerszene. Es ist dies, das entnimmt man aber auch nur dem Programmheft, die allererste Bespielung der neu erbauten Freiluftbühne in Britz. Großzügig, offen zu den Seiten, doch mit einem stabilen Dach darüber, ist sie eine enorm angenehme Location geworden, um deren Eröffnung man andernorts eine Menge Tamtam gemacht hätte. In Neukölln aber spielt man einfach nur los. Man hätte für die Einweihung keine passenderen Akteure finden können als Shakespeares Zettel und Konsorten, die hier mit viel Witz und Schwung von jugendlichen Musik- und SchauspielschülerInnen gegeben werden.

Wenn die Innenbühne im Kulturstall, auf der das Hauptevent des Abends, die Oper „Pyramus und Thisbe“, sich abspielte, nicht so sommerlich aufgeheizt gewesen wäre, hätte es des erfrischenden Zwischenspiels allerdings kaum bedurft. Nicht nur dass man entdecken konnte, welch beglückend innige Arien der spätbarocke Gerade-noch-Mozart-Zeitgenosse Johann Adolf Hasse, der damals als Superstar unter den Opernkomponisten galt, den zeitgenössischen SopranistInnen in diesem „Tragischen Intermezzo“ auf den Leib schrieb. Die tragischen Lebens- und Sterbensumstände von Thisbe und ihrem Geliebten Pyramus werden in der Regie von Antje Kaiser zu einem fesselnden Drama mit tragikomischen Zügen. Es ist ein unaufdringlich geistreiches Regiekonzept, das mit feiner Ironie auf das Pathos der Vorlage reagiert, es aber nicht ins Lächerliche zieht. Dass dies so glückt, ist auch die Leistung der drei HauptakteurInnen, die nicht nur sängerisch, sondern auch darstellerisch überzeugen. Wundervoll ist Andrea Chudak als eine Thisbe, die gleichzeitig mädchenhaft-kokett und übermütig-burschikos auftritt. Ihr Textanteil übersteigt den des Geliebten weit, und überhaupt scheint sie ihrem Pyramus immer einen Schritt voraus zu sein. Dieser wiederum ist ein Sopranpart und wird, wie bei dem heutigen Kastratenmangel allgemein üblich, als Hosenrolle gegeben. Catrin Kircher gibt ihrer Rolle neben einem androgynen Jünglingscharme einen gerade richtig dosierten Hauch von dandyhafter Eitelkeit und Leichtfertigkeit mit. Hartmut Schröder als Thisbes Vater, in der einzigen Rolle, die schwerlich komisch gedeutet werden kann, zeigt den babylonischen Patriarchen als einen von widerstreitenden Gefühlen Zerrissenen. Das war wirklich ein sehr schöner Sommerabend. Da draußen in Neukölln. KATHARINA GRANZIN

■ Weitere Vorstellungen: Fr., 10., und Sa, 11. August, 19.30 Uhr