Schwule im Irak: Bei Outing Mord

Schwule leben in Todesangst. Milizionäre verabreden sich, um sie zu töten. Angehörige bringen sie wegen der Familienehre um. Einziger Schutz: nie auffallen. Ein Bericht aus der geheimen schwulen Subkultur im Irak.

Umarmen ist erlaubt, mehr nicht, öffentlich zeigen schon gar nicht. Bild: martin reichert

ERBIL taz | Als Schwuler im Irak hat John ernste Probleme, als Vater hat er auch alltägliche: „Wenn in Erbil mal wieder der Strom ausfällt, fällt auch die Klimaanlage aus, neulich habe ich meinem Kind die halbe Nacht Luft zugefächelt, damit es schlafen kann“, erzählt er. „John the XXL“ möchte er genannt werden. Das XXL ist ein schwuler Club in London, wo er, der Exilkurde, seit seinem 15. Lebensjahr gewohnt hat. Nach dem Einmarsch der Amerikaner ist er in den Irak zurückgekehrt, um in Erbil als Lehrer zu arbeiten. Er ist verheiratet – so wie fast alle Schwulen im Irak, die das 30. Lebensjahr überschritten haben, hat zwei Kinder. John, 34 und Christ, ist einer der vielen Kurden, die in den letzten Jahren aus Westeuropa zurückgekehrt sind in die sichere, boomende Region. „Hallo, wie gehts?“ in hessischem Tonfall zu hören ist in Erbil keine Seltenheit.

Es ist noch immer über 40 Grad heiß, doch die große Brunnenanlage spendet am Abend ein wenig Kühle. Im Sprühnebel der Sonne, die schon bald abrupt untergehen wird, schimmern fast unmerklich die Farben des Regenbogens. Auf dem Platz um den Brunnen sind nun kaum mehr jene Frauen zu sehen, die noch bis vor Kurzem verhüllt rund um die mächtige Zitadelle, die das Stadtbild von Erbil beherrscht, zum Einkaufen unterwegs waren. Der öffentliche Raum, der neue Brunnenplatz, gehört nun den Männern allein. Sie promenieren, zum Teil Hand in Hand, die Arme einander um die Hüfte geschlungen. Sie trinken Tee und rauchen Wasserpfeife, reden über Politik und über die wie irre schwankenden Preise für Importtomaten.

John, als Schwuler im Londoner Nachtleben sozialisiert, ist zu dem Treffen gekommen, um zu überprüfen, ob der Besucher aus dem Westen vertrauenswürdig ist, bevor er die anderen Jungs dazuholt. Die sind zum Teil nur übers Wochenende in Erbil, sie leben in Bagdad und Basra. Keine Fotos, keine richtigen Namen, die Biografien müssen verändert werden! Es ist noch nicht lange her, dass ein Schwuler aus Bagdad in einem australischen Magazin abgebildet war und danach erschossen wurde. Nun, da die Amerikaner ihre Truppen aus dem Irak abziehen, wird John sich in Sicherheit bringen. Bis Ende August sollen 90.000 von 146.000 Soldaten in die USA zurückkehren, bis Ende nächsten Jahres auch die letzten 50.000. John kann dank seines britischen Passes nach Europa zurückgehen. Seine schwulen Freunde müssen bleiben. Sie haben Angst vor einer Zukunft in Chaos und Bürgerkrieg. Und vor einer Regierung, die wohl auch in Zukunft nicht in der Lage oder willens sein wird, sie zu schützen.

Doch noch ist es hier, in der Hauptstadt der nordirakischen Region Kurdistan, relativ sicher.

Das muslimisch geprägte Erbil, eine Stadt mit einer Million Einwohnern, boomt und gilt als „Dubai Iraks“. Als Westler braucht man hier, im „Save Haven“ Iraks, kontrolliert von der kurdischen Armee und einem hocheffizienten Geheimdienst, keine Splitterschutzweste und keine angeheuerte Security, um sich frei bewegen zu können. Man muss keine Entführung befürchten wie im dreihundert Kilometer südlich gelegenen Bagdad, und ein Bombenattentat ist unwahrscheinlicher als im fünfzig Kilometer entfernten Kirkuk. Zu rechnen ist mit freundlicher Neugier, weil ein Westler hier auffällt, inmitten des orientalischen Markttreibens rund um die Zitadelle von Erbil.

Homosexuelle aus dem Irak laufen hier immerhin nicht Gefahr, von einer islamistischen Miliz gefoltert und abgeschlachtet zu werden – für den Gesamtirak hat Amnesty international seit dem Jahr 2005 fünfhundert solche Fälle dokumentiert. Ein Pogrom auf Raten.

Keine schwule Identität

„In Erbil wird niemand verhaftet, solange er sich nicht erwischen lässt“, erzählt John. „Die Regierung weiß, dass es Schwule gibt, wir werden so weit in Ruhe gelassen. Aber vor zwei Monaten wurde einer unserer Freunde von seinem eigenen Neffen umgebracht. Er war aufgeflogen.“ Entspannt sei hier kein Schwuler, sagt John, der einzige Ort, an dem sie sich wirklich sicher fühlen könnten, sei das hiesige Fünfsternehotel, Weststandard. „Im Irak wird es keine schwule Identität geben, solange alle am Islam, der Religion, der Tradition festhalten. Unter Saddam war es im Vergleich besser – er hatte ja einen schwulen Sohn, viele wussten das auch unter der Hand. Es gab offen lebende Transen in Bagdad, Bars, Clubs. Saddam war eben auch eine Lösung für den Irak“, sagt er, der Kurde, nüchtern.

Auch unter Saddam Hussein wurde Bagdad in den Neunzigern konservativer, der Alkoholverkauf wurde eingeschränkt, Bars wurden geschlossen. Die Todesgefahr für Schwule im Irak entstand jedoch erst in jenem Sicherheitsvakuum, das nach dem Sturz Husseins entstand. Etwa durch jene Milizen, die sich statt um die allmählich in die Hände der irakischen Polizei zurückgegebene Sicherheit nun um die Moral kümmern. Kopfgelder auf Schwule aussetzen. Ihnen die Genitalien abschneiden, glühende Kohlen oder Besenstiele in den Anus stopfen. Junge Milizionäre fahnden in Internetforen nach Schwulen, verabreden sich mit ihnen, um sie dann zu töten.

Hier, in der Autonomen Region Kurdistan, müssen Schwule „nur“ Todesangst vor ihrer eigenen Familie haben. Ehrenmorde, die in keiner Statistik auftauchen und juristisch unter Berücksichtigung mildernder Umstände geahndet werden: ein Jahr Haft für den Täter, es ging schließlich um die Familienehre. Mildernde Umstände, die für einen Ehrenmord an Frauen in Kurdistan zumindest offiziell nicht mehr gelten, wohl aber bei Homosexuellen. Im von der internationalen Gemeinschaft an die Region herangetragenen Fluss des „Gender-Mainstreamings“ sind sie bislang überhaupt nicht vorgesehen. Claudia Roth von den Grünen war unlängst auf Stippvisite in Erbil, „nach Schwulen hat sie nicht gefragt, diese Frage tauchte bislang auch nur beiläufig im Menschenrechtsbericht auf“, erklärt der noch bis vor Kurzem amtierende Generalkonsul Oliver Schnakenberg: „Es gibt keine Tradition der Menschenrechte im Irak, auch die Befreier konzentrieren sich in erster Linie auf die Sicherheit. Die Menschen hier haben vor allem Angst, bei einem Bombenanschlag zu sterben“, erklärt der Konsul. Er wirkt leicht überfordert. Was soll er auch sagen, nicht einmal die USA haben sich bislang zur Situation von Schwulen, Lesben und Transgender im Irak geäußert. Zu früh? Für viele von ihnen ist es längst zu spät.

Mit seinem Smartphone verständigt John nun zwei seiner Freunde. Sie alle sind in einem Internetforum verlinkt, das nicht genannt werden darf. Sam kommt dazu, er ist dreißig, Muslim und arbeitet bei einem Security-Dienst in Bagdad. Sam sieht aus wie viele der anderen Männer hier auf dem Platz am Brunnen: mittelgroß, stämmig-muskulös, das eng anliegende Hemd in der Jeans, aus Asien importierte, spitz zulaufende Schuhe. Niemand käme auf die Idee, dass er ein Homosexueller sein könnte. Anders als bei dem sehr jungen Mann, der gerade vorbeiläuft und offensiv flirtet; seine Augen sind mit blauem Kajalstift bemalt, er wackelt mit den Hüften. „Der lebt gefährlich“, sagt Sam, „doch er scheint Glück zu haben, seine Familie hat ihm noch nichts getan. Ich würde sagen, dass achtzig Prozent solcher Schwuler im Irak in höchster Gefahr sind.“ Das Problem heißt Sichtbarkeit.

Sam hat versprochen, dem Westler die unsichtbare Welt der Schwulen in Erbil zu zeigen. Sie ist schwer zu erkennen, weil sich die Männer für das westliche Auge unfassbar nahe sind. Sie berühren einander stetig, gehen liebevoll miteinander um, im Westen wäre so viel Nähe höchstens auf dem Fußballplatz erlaubt. Wir machen uns auf den Weg in einen Hamam, einen informellen Treffpunkt für Schwule. Das Dampfbad ist ziemlich heruntergekommen, früher reinigten sich hier ausschließlich irakische Soldaten. Ein Funktionsbau, ein großer Raum mit den typischen Waschplätzen am Rande und einem Podest aus heißem Stein in der Mitte. In der Schwüle des Raums sitzen die Männer und reiben sich mit Seife ein, man ist einander behilflich, weil der Rücken so schwer zu erreichen ist. Völlige Nacktheit ist nur kurz erlaubt, des Einseifens wegen, dann muss alles wieder unter einem Tuch verhüllt sein, nicht der Scham unter Männern wegen, sondern um die Gefahr sexueller Attraktion abzuwehren.

Eine Gefahr, die gesellschaftlich mit umso härteren Strafen belegt ist, je mehr sie im realen Leben erblüht: In Gesellschaften, die von der Trennung der Geschlechter geprägt sind – kein Mann darf eine Frau vor der Heirat berühren -, gehört gleichgeschlechtliche Liebe meist zum Alltag. Man behilft sich untereinander. Und so ist es auch in Erbil kein Problem, als Schwuler andere Männer zu finden, mit denen man Sex haben kann. „Es gibt im Irak sehr viel Sex unter Männern. Für junge Männer ist es auch kein Problem, sich zu prostituieren, es ist nicht ehrenrührig. Eine Schande ist es nur, passiven Analverkehr zu haben“, erklärt Sam. Wer passiv ist, penetriert wird, verliert seinen Status als Mann, er wird zur Frau. Und da, wo Sex unter heterosexuellen Männern zum Alltag gehört, darf es Homosexualität auf keinen Fall geben. So wie es den Sex unter Männern gar nicht gibt, weil es ihn nicht geben darf. Man trifft sich im Hamam, ganz unter Männern, geht danach in ein Hotel oder in eine Wohnung, in der gerade niemand zu Hause ist.

Digitale Katakomben

Sam wird heiraten müssen. Noch kann er seine Familie hinhalten, er hat erklärt, schon bald das Land verlassen zu wollen. Doch noch lebt er sein „freies“ Leben als Schwuler in der irakischen Hauptstadt: „Es gibt in Bagdad Parks und Plätze, an denen sich Schwule treffen. Bars und Klubs gibt es nicht mehr, auch keine informellen, das ist zu gefährlich. Man verabredet sich übers Internet oder über Mundpropaganda. Wenn ich jemanden kennenlerne, vermittle ich ihn an jemanden weiter, von dem ich glaube, dass er sein Typ ist.“ In seinem Mobile hat Sam mehr als achthundert Nummern von irakischen Schwulen. Er sagt, dass er bereit wäre, eine irakische Bürgerrechtsorganisation für Schwule und Lesben zu gründen, wenn diese geheim bliebe – und dass dies nicht ohne internationale Unterstützung gehe. Die einzige existierende Organisation, Iraqui LGBT, hat ihren Sitz in London und organisiert von dort aus sogenannte Save Houses in Bagdad, geheime Orte, an denen verfolgte Schwule und Transgender Schutz suchen können. Unterstützt wird Iraqui LGBT dabei unter anderem von der niederländischen NGO Hivos. Die Schwulen Iraks leben derweil in digitalen Katakomben, im Internet. Es bietet Schutz und verhindert zugleich, dass sie sichtbar werden, eine Infrastruktur aufbauen. Jüngere Schwule meiden sogar zunehmend die wenigen Treffpunkte, die Hamams und Parks.

Doch es gibt sie noch. Sam drängt zum Aufbruch, die anderen warten dort, im Park. Winzig ist der, kleine Rabatten, ein Brunnen, und doch verfügt er über eine Attraktion: dort gibt es seit 2006 eine öffentliche Frauentoilette – mühsam erkämpft von einer Frauenrechtlerin aus Erbil. Die Männer nutzen traditionell die sanitären Anlage in den Moscheen, zu denen Frauen keinen Zugang haben. Frauen waren früher im öffentlichen Raum nicht vorgesehen, Gender-Mainstreaming in Erbil. Und rund um die Frauentoilette, ein winziges Örtchen der Freiheit mitten in Erbil, sind auch Schwule anzutreffen. Ganz in der Nähe liegt der Regierungssitz, sicher ist die Minderheit der Homosexuellen nur, wenn es eine funktionierende Machtstruktur gibt, die sie beschützt. „Es wäre besser, wenn die Amerikaner hierblieben“, sagt Sam, „wenn die sich komplett zurückziehen, dann gibt es einen Bürgerkrieg. Alle gegen alle, der Süden gegen die Kurden. Alle, die mit den Amerikanern zusammengearbeitet haben, werden bezahlen müssen.“

Katastrophe als Alltag

Was wird dann aus dem „Save Haven“ Kurdistan, dessen Armee mit den Amerikanern zusammen gegen Hussein gekämpft hatte? Wer bekommt das Öl in Kirkuk? „Die meisten Schwulen, die ich kenne, wollen den Irak verlassen“, sagt Sam. Ist er denn glücklich? „Den Umständen entsprechend. Solange ich gut ankomme bei anderen Männern, jung bin, mache ich das Beste aus meiner Situation“, antwortet er und klackert mit seiner bernsteinfarbenen Gebetskette.

Die Katastrophe gehört im Irak zum Alltag, nicht nur für Schwule, Lesben und Transgender. Weil es kein Recht auf einen friedlichen Alltag gibt, versucht man, ihn sich einfach zu nehmen. Menschen im Park. Es ist dunkel geworden. Die Marktstände mit den Gewürzen, dem Obst und dem türkischen Honig sind abgebaut, die Goldschmieden haben geschlossen, doch die Straßen sind noch belebt mit Männern. Einige sind auf der Suche nach anderen Männern, sie sitzen auf den Bänken und warten. Die Freunde von Sam sind schon da, wir sind nun eine Gruppe von sechs Männern. Einer ist schon älter und trägt einen Schnauzer, einer ganz jung, er sieht aus wie Alexander der Große. Wir sitzen auf Bänken, Sam legt seinen Arm um den Besucher aus dem Westen, der erschrocken zurückweicht. Alle brechen in herzliches Gelächter aus. „Das ist erlaubt!“, lachen sie, „das ist doch erlaubt!“ Sie kriegen sich gar nicht mehr ein. Und dann ist es für einen Moment still, weil unter diesem Witz ein bitterer Ernst liegt. Die ganze Verrücktheit der Welt.

Perry ist 29 und arbeitet in einem örtlichen Unternehmen. Auch er ist verheiratet, hat drei Kinder. „Mein Vater ist ein hohes Tier in der Verwaltung, er und mein Bruder haben mich unter Druck gesetzt, endlich zu heiraten“. Dabei hat er einen Freund im Iran, sie können sich aber nur einmal im Monat für zwei, drei Tage sehen. Mag er seine Frau? „Ja“, sagt Perry, „ich würde aber lieber mit meinem Freund zusammenleben, im Iran. Aber dort ist es noch gefährlicher.“ Perry ist traurig, dass ihn seine Familie, die er ebenfalls liebt, nicht akzeptieren kann, wie er ist. Und „gleichzeitig entspannt, weil sie Gott sei Dank nichts wissen“. Entspannt – auch glücklich? „Das Leben ist dann schön, wenn wir uns wie jetzt treffen, eine schöne Zeit miteinander verbringen. Wenn wir freihaben, ausgehen können, miteinander rumhängen“, sagt Perry.

Es ist schön an diesem Abend, alle lachen, albern herum. Es ist kein Unterschied zu spüren, ob man gerade in Erbil oder in Barcelona mit einer Gruppe Schwuler rumhängt, Witze macht, über Pop und Klamotten redet. Über Männer. Ali zum Beispiel steht auf türkische Kerle mit Bauch und Schnauzbart, er mag „Bären“ und kauft sich deshalb immer Musik-CDs von türkischen Popsängern, „wegen der Fotos“. Ali ist aus Basra, Offizier auf einem Handelsschiff und der Einzige hier, der den Irak schon mal verlassen hat. Mit dem Schiff. „Aber wir fahren nur die Golfstaaten an“, wiegelt er ab. Basra, die Hafenstadt im Südirak, sei relativ sicher, so wie Erbil. „Doch nicht für Schwule, dort sind sehr viele Schiiten, es ist nicht liberal. Dabei sind es gerade die Schiiten, die es miteinander treiben“ sagt er. In Dubai war er auch schon mal, „aber die Schwulenszene dort ist schwer zu finden, das sind eher Zirkel von Reichen“. Insgesamt, sagt Ali, „ist einfach zu viel Religion in der Welt“. Im Irak werde es, vielleicht, in zwanzig Jahren so etwas wie ein offen schwules Leben geben. Vielleicht. „Erst mal wird es jedoch einen Bürgerkrieg geben, wenn die Amerikaner gehen.“

Wir ziehen weiter durch die Stadt, essen Eis, trinken frisch gepressten Orangensaft – keinen Alkohol, das würden wir nur machen, wenn wir ins christliche Viertel gingen. Oder in die Bar am Plaza. Hier, Downtown Erbil, trinkt niemand Alkohol. Trotzdem muss man irgendwann mal auf die Toilette. Auf die Damentoilette geht nicht, und die Moscheen haben geschlossen. Wir gehen in Alis Hotel, der Concierge wird bestochen, damit er uns alle auf das Zimmer lässt, dabei wollen wir nur auf die Toilette. Als wir das Hotel wieder verlassen, gefriert den Jungs plötzlich das Blut in den Adern. In der Euphorie im Gespräch mit dem Besucher aus dem Westen hatte Ali Sam einen kurzen Zungenkuss gegeben. Sie wurden dabei von zwei Männern aus Erbil gesehen. Was wird nun geschehen? Es wird still. Der Einzige, der bislang deutlich sichtbar war, das war der Besucher aus dem Westen. Ein Exot, dem nichts passiert in Erbil. Nun sind auch Ali und Sam sichtbar geworden, nun sind sie in Gefahr.

Die Gefahr gehört zum Alltag im Irak, doch heute Abend soll es schön sein, weil alle Freunde zusammen sind, offen reden können. Wir gehen noch einmal zum Brunnen. Als es zehn Uhr ist, wird er abgeschaltet. Die Bürger Erbils sollen nun nach Hause gehen. Wir ziehen über eine bereits leere Hauptstraße. Nur eine Frau – die einzige Frau überhaupt – begegnet uns, mit offenem Haar, Stöckelschuhen, kurzem Rock. „Das ist eine Prostituierte“, erklärt Ali.

Wir sind auf dem Weg in die Iskan-Straße, die „Partymeile“ Erbils. Hier gibt es eine Mall, Restaurants, ein Billardcafé. Wir gehen in ein neonbeleuchtetes Restaurant und essen irakische Pizza, wir sind nur eine Gruppe junger Männer. Alle schütten traditionelle „Family Sauce“ auf ihre Pizza, eine dunkle, zähe Würzpaste. Als es ein Uhr ist, werden die Jungs unruhig, sie müssen nach Hause. Zu ihren Eltern, zu ihren Frauen und Kindern. Erlaubt ist, dass wir uns alle zum Abschied umarmen.

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