Die blöden Ökos attackieren

UMWELT Flotte Schreibe, aber selektive Fakten: Die Polemik „Ökofimmel“ von Alexander Neubacher kämpft gegen den grünen Zeitgeist

Neubacher geht es darum, den unterstellten Öko- Mainstream als falsch zu entlarven

In Alexander Neubachers Buch „Ökofimmel“ kann man viel lernen. Das liegt weniger an neuen Fakten. Sondern mehr daran, dass sich der Ökointeressierte alle paar Seiten fragt: „Was? Stimmt das wirklich?“ Wer dann Zeit, Lust und Gelegenheit hat, die Behauptungen im Buch zu überprüfen, der lernt viel darüber, wie vielschichtig Öko-Probleme sind – und wie erstaunlich selektiv und einseitig der Spiegel-Redakteur darüber schreibt.

Neubachers Ausgangsfrage ist durchaus interessant: Was bringt unter dem Strich der ganze Ökozirkus? Nach 30 Jahren von Umweltgesetzgebung, einer nationalen und internationalen Ökobürokratie, relativ mächtigen Umweltverbänden und grünem Denken als Mainstream drängt sich die Frage auf, ob das alles in die richtige Richtung geht.

Genussvoll und mit sarkastischer Freude seziert Neubacher, dass gut gemeint oft genug das Gegenteil von gut ist: den Flop der gescheiterten europäischen Biosprit-Politik, den negativen ökologischen Rucksack von Papiertüten oder die Tatsache, dass Äpfel aus Chile im Sommer ökologischer sind als heimische Produkte. Zu Recht kritisiert er, dass grüne Lobbys einen Vertrauensvorschuss haben. „Wenn etwas der Umwelt dient, entfällt jede Begründungsnotwendigkeit; wo ein Ökolabel draufklebt, erübrigt sich jeder Streit.“

Den will Neubacher gern liefern. Und hier beginnen auch schon die Probleme des Buchs. Es ist erkennbar auf Krawall hin geschrieben. Fast völlig fehlt eine Analyse, warum welche Arten von grünen Auswüchsen stattfinden: Wann ist eine wild gewordene Bürokratie schuld? Wo sind es Fehler der Wissenschaft? Wo geben Politiker nach, wo verzerren Lobbys so lange die Regeln, bis sie sinnlos sind? Der Autor differenziert nicht und verfehlt daher eine Aufklärung über echte oder angenommene Missstände. Sein Grundtenor „Die Ökos sind doof“ liest sich gut als Tabubruch in Ökodeutschland, ist aber weniger an Aufklärung als an Auflage interessiert.

Neubacher, der für den Spiegel regelmäßig über Energiepolitik berichtet, geht es erkennbar darum, den unterstellten linken Öko-Mainstream als falsch und beschränkt zu entlarven. Sein Vorwurf der ideologischen Blindheit fällt allerdings schnell auf ihn selbst zurück, wenn man die erstaunlichen Freiheiten bei der Behandlung von Fakten im Buch betrachtet. Da schreibt er unter anderem, das Umweltbundesamt (UBA) warne vor gefährlichen Quecksilber in der Energiesparlampe, das Waldsterben sei ausgeblieben, die Atomkraft komme weltweit zurück, die grüne Gentechnik könne weltweit den Hunger bekämpfen und die erneuerbaren Energien seien für das Scheitern des Emissionshandels verantwortlich.

Der Autor erwähnt mit keinem Wort Hinweise, die zu seiner Meinung nicht passen: Da sagt das gleiche UBA, das er zitiert, der Ausstieg aus den Glühlampen sei sinnvoll und das Quecksilberproblem lösbar; da sind laut Agrarministerium fast zwei Drittel der deutschen Bäume geschädigt; da steigen Eon und RWE weltweit aus der Atomkraft aus, weil sie sich nicht rechnet; da sagt eine Studie im Auftrag von Weltbank und UN, die industrielle Landwirtschaft sei gerade keine Lösung für den Welthunger; und da zeigt eine aktuelle Untersuchung des „Öko-Instituts“, dass der Emissionshandel an Konstruktionsmängeln krankt und kaum am Zubau der erneuerbaren Energien.

Alle diese Gegenargumente müssen nicht richtig sein. Aber „Ökofimmel“ gibt dem Leser nicht einmal die Chance, sie zu hören. Eine verpasste Gelegenheit, die man nicht weiter beachten muss, könnte man meinen – schriebe hier nicht einer der einflussreichsten deutschen Wirtschaftsjournalisten. BERNHARD PÖTTER

Alexander Neubacher: „Ökofimmel. Wie wir versuchen, die Welt zu retten – und was wir damit anrichten“. DVA, München 2012, 272 Seiten, 19,99 Euro