Europäisches Patentamt erteilt Keimzellenpatent

Greenpeace entdeckt wieder einmal ein Patent, das es eigentlich nicht geben dürfte. Die Umweltschützer fordern eine Neuordnung des Patentrechts

Erneut hat das Europäische Patentamt (EPA) ein Patent erteilt, das gegen geltendes Recht verstößt: Nach Recherchen der Umweltorganisation Greenpeace erteilte das EPA bereits im Februar 2005 ein Patent, das zur Auswahl des Geschlechts von Kindern dient, die aus künstlicher Befruchtung hervorgehen. Patentinhaber ist das US-Unternehmen XY Inc. in Colorado, das auf Geschlechtsselektion bei Kühen, Pferden und Schweinen spezialisiert ist. Laut der Patentschrift mit der Nummer EP 1257 168 B werden dafür Samenzellen nach den Geschlechts-Chromosomen getrennt. Dabei umfasst das Patent nicht nur das technische Verfahren, sondern auch die Samenzellen selbst.

Das Patent verletzt mehrere europäische Gesetze: Die Patentierung menschlicher Keimzellen ist in Europa nicht erlaubt, auch Verfahren zur Geschlechtsselektion sind in den meisten europäischen Ländern verboten. Selbst die Biomedizin-Konvention des Europarates verbietet die Geschlechtswahl.

Der Ethikexperte Professor Dietmar Mieth von der Universität Tübingen weist darauf hin, dass das Patent auch zur Auswahl anderer Merkmale verwendet werden kann: Damit sei die Methode zur Menschenzüchtung nutzbar.

Greenpeace fordert eine Neuordnung des Patentrechts, um der schrankenlosen Patentierungspraxis des EPA Einhalt zu gebieten. 2005 vergab das Amt bereits etwa 100 Patente auf Gene, 50 Patente auf Saatgut und Pflanzen sowie 20 Tierpatente.

In den USA ist die Geschlechtsselektion seit längerem gängige Praxis. Das US-amerikanische Genetics & IVF Institute in Fairfax, Virginia, vertreibt unter dem eingetragenen Markennamen Microsort ein bereits 1992 patentiertes Verfahren zur Geschlechtsselektion beim Menschen. Die Methode wurde ursprünglich nur bei geschlechtsgebundenen Krankheiten eingesetzt. Die Bluterkrankheit beispielsweise bricht nur bei männlichen Genträgern aus. Mit dem Microsort-Verfahren konnten die Mediziner dafür sorgen, dass nur Mädchen gezeugt werden. Seit 1998 bietet das Genetics & IVF Institute die Technologie aber auch gesunden Paaren in den USA an.

In Europa wird über die Geschlechtsbestimmung heftig gestritten: 2003 legte der belgische Repromediziner Frank Comhaire aus Gent mit dem Microsort-Verfahren erstmals in Europa das Geschlecht eines Kindes vor der künstlichen Befruchtung fest. In Belgien ist die Geschlechtsselektion nicht verboten. In Deutschland darf das Verfahren nicht eingesetzt werden.

Ebenfalls 2003 machte in Großbritannien ein schottisches Paar mit drei Jungen und einem Mädchen Schlagzeilen, deren Tochter bei einem Unfall starb. Der Antrag, die „weibliche Dimension“ der Familie per Präimplantationsdiagnostik (PID) wiederherzustellen, wurde von der Human Fertilization and Embryology Authority (HFEA) allerdings abgelehnt. In asiatischen PID-Zentren hingegen kennt man diese Zurückhaltung nicht. Hier wird die PID vor allem dazu eingesetzt, um weibliche Embryonen identifizieren und abtreiben zu können. FABIAN KRÖGER