Operation Wüstensand

Aus Bamako FRANÇOIS MISSER

Es war eine Nachricht, die zunächst völlig unterging. Die US-Armee habe „historische“ Antiterrormanöver mit einer Reihe nord-und westafrikanischer Staaten begonnen, erklärte der US-Militärverantwortliche Holly Silkman Mitte Juni. „Noch nie haben so viele afrikanische Länder an einer gemeinsamen Übung teilgenommen“, sagte er und sprach von einer „gemeinsamen Maßnahme gegen Terrorismus an den Grenzen der Sahara, um zu zeigen dass überall dort, wo es Terroristen gibt, wir auch da sind und sie jagen“.

Silkman äußerte sich in Malis Hauptstadt Bamako, die genau im Zentrum des Einsatzgebietes lag. Das auf zwei Wochen angesetzte Antiterrormanöver vereinte neben Mali die Staatsgebiete von Mauretanien, Algerien, Niger und Tschad – also die gesamte instabile Sahara-Sahel-Region. Beteiligt waren neben diesen Ländern aber auch Soldaten aus Marokko und Tunesien sowie aus den wichtigsten westafrikanischen US-Verbündeten Senegal und Nigeria. Eintausend US-Soldaten landeten für die Übung in der Region. Es ging um Kommunikation in schwierigem Terrain, Ausbildung für Scharfschützen, Landen per Fallschirm. „Dies ist hoffentlich der Beginn einer langen Beziehung“, erklärte danach Generalmajor Thomas Csmko im zuständigen US-Europahauptquartier Eucom in Stuttgart.

Kurz zuvor, am 3. Juni, hatte die Region quasi den Ernstfall erlebt. Ein Kommando der algerischen Islamistenguerilla GSPC (Salafistische Gruppe für Predigt und Kampf) war aus Mali kommend in Mauretanien eingefallen und lieferte sich dort Kämpfe mit der Armee, 15 Soldaten und fünf Islamisten starben dabei. Die GSPC bezeichnet sich selbst als Teil al-Qaidas und war vor zwei Jahren für die Entführung von 32 europäischen Touristen, darunter auch Deutsche, in Algerien verantwortlich. Die Touristen kamen im August 2003 nach langwierigen Verhandlungen und einer Militäraktion in Mali nahe der algerischen Grenze frei.

Das Grenzgebiet zwischen Mali, Mauretanien, Algerien und Niger gilt als Rückzugsgebiet von Waffen- und Menschenschmugglern sowie Tuareg- Rebellen und islamistischen Kämpfern. Sie alle nutzen den Umstand, dass diese riesige unwirtliche Gegend kaum staatlich zu kontrollieren ist. Die Geiselnehmer wurden im März 2004 bei einer gemeinsamen Militäroperation von Mali, Niger, Tschad und Algerien auf tschadischem Gebiet geschnappt, in einer vom Pentagon unterstützten Aktion.

Die Achse Washington–Bamako

Mali gilt als demokratisches Musterland in Westafrika. 1991 schüttelte es per Volksaufstand seine damalige Militärdiktatur ab und ist seitdem eine stabile Demokratie. Der Verantwortliche für den friedlichen Übergang damals, der Militär Amadou Toumani Touré, ist inzwischen Präsident des Landes und verlässlicher Partner des Westens. Sein Vorgänger Alpha Oumar Konaré ist Präsident der Kommission der Afrikanischen Union (AU) und damit der wichtigste afrikanische Politiker, was panafrikanische Militärinterventionen angeht – die AU hat die Aufstellung von Eingreiftruppen wie bereits im sudanesischen Darfur zu ihrer Priorität erklärt und wird dabei von der Nato unterstützt.

Mali entwickelt sich inzwischen zum militärischen Hauptverbündeten der USA in Afrikas Nordhälfte außerhalb der bestehenden Nato-Zusammenarbeit mit den Maghreb-Staaten Marokko, Algerien und Tunesien. Schon im Sommer 2003 streute das Pentagon Pläne für „mobile Militärbasen“ in der Region. Im November 2003 verkündete die US-Regierung eine „Pan-Sahel-Initiative“, um Mauretanien, Mali, Niger und Tschad zu helfen, „Schmuggel, internationale Kriminalität und terroristische Bewegungen“ zu bekämpfen. Das 125 Millionen Dollar schwere Programm beinhaltet außerdem die Nutzung des Flughafens von Gao in Mali für US-Operationen. Der US-Kongress hat überdies 100 Millionen Dollar bewilligt, um ab 2007 fünf Jahre lang Militärübungen in der Region in einer „Trans-Sahara-Initiative“ durchzuführen. Mali bekommt von der US-Armee vor allem Fahrzeuge und ein Satelliten-Navigationssystem.

Die Bush-Regierung nominierte zudem im Mai als künftigen Botschafter in Mali einen Terrorspezialisten: Terence Patrick McCulley, bisher Vizekoordinator für die Irakhilfe im State Department. Wie sehr Mali inzwischen durch die Terrorbrille gesehen wird, zeigt sich auch dadurch, dass Mali und Algerien von der französischen Regierung als Pilotländer für die Einführung von Visa mit biometrischen Daten ab 2006 ausgesucht worden sind.

In der Militärachse Washington-Bamako gibt es allerdings noch einen dritten Partner: Südafrika. Mit keinem anderen Land in Afrika arbeiten die USA so intensiv militärisch zusammen. Dreißig gemeinsame Militärübungen sind in diesem Jahr vorgesehen. Als Pate von Friedensprozessen in der südlichen Hälfte Afrikas, wie Kongo und Burundi, spielt das Land am Kap mehr und mehr eine wichtige Rolle und gilt als afrikanischer Anwärter Nummer eins auf einen ständigen UN-Sicherheitsratssitz. Nicht von ungefähr baut nun Südafrika auch mit Mali seine militärische Zusammenarbeit aus. Am 5. Mai unterschrieben die Verteidigungsminister beider Länder ein Abkommen über militärische Zusammenarbeit. Malis Armee soll logistisch gestärkt werden, um ihre Interventionsfähigkeit zu verbessern. Es bahnt sich ein Dreierbündnis Washington-Bamako-Pretoria an.

Die Rolle des Öls

Für all dies gibt es nicht nur strategische Interessen. Mali ist Afrikas drittwichtigster Goldproduzent, und drei südafrikanische Firmen fördern 90 Prozent von Malis Gold – Iamgold, Randgold und AngloGold-Ashanti. Südafrikas Stromgesellschaft Eskom betreibt das wichtigste Kraftwerk der Sahel-Region, Manantali, auf malischem Gebiet. Südafrikanische und US-Firmen interessieren sich überdies für Öl in Mali – die gesamte Sahel-Region, von Mauretanien bis Tschad, ist derzeit Objekt intensiver Ölprospektion. Fünf internationale Ölfirmen schürfen im Norden Malis nach dem schwarzen Gold. Die geologischen Bedingungen seien identisch mit denen in Südalgeriens Ölgebieten, sagt Mamadou Simpara, Direktor der staatlichen Ölbehörde Aurep. Er meint genau die Gegend an den Grenzen zu Algerien und Mauretanien, in der „Terroristen“ vermutet werden.

Unter all diesen Umständen sorgt jede Unruhemeldung aus Mali für internationale Nervosität. Als am 27. März Malis Fußballnationalmannschaft zu Hause gegen die von Togo verlor, brachen in Bamako gewaltsame Unruhen aus, wie sie das Land lange nicht mehr erlebt hatte. Nicht nur Sporteinrichtungen fielen wütenden Hooligans zum Opfer, sondern auch Nachtklubs und Bars im Besitz westafrikanischer Ausländer, Libanesen und Chinesen. Zeitungen vermuteten rasch Islamisten hinter dieser offenbar gezielten Gewalt. Schon in den Vorjahren hatte Mali tatsächlich mehrere Gewaltakte radikaler Muslime erlebt, 2002 vereitelten die malischen und algerischen Geheimdienste ein GSPC-Attentat auf die US-Botschaft in Bamako.

Doch für Premierminister Ousmane Issoufi Maiga, im Volksmund „Pinochet“ genannt, ist all das eher Ausdruck sozialer Unzufriedenheit. Ein offensichtlicher Grund ist sicherlich die zunehmende Armut und die schlechte Ernährungslage: Die Heuschreckenplage von 2004 gekoppelt mit einer Dürre haben dieses Jahr zu einem Lebensmitteldefizit von 500.000 Tonnen und einer Hungersnot geführt.

Ausgerechnet die USA sorgen dafür, dass sich die ökonomischen Zukunftsaussichten Malis eher verschlechtern. Die Subventionen für US-Baumwollbauern, die zu einer Überproduktion auf dem Weltmarkt führen, treiben Westafrikas Baumwollindustrie systematisch in den Ruin und damit auch einen Großteil der Landbevölkerung von Mali, Burkina Faso, Togo und Benin. Kein Land ist davon härter betroffen als Mali, dessen Exportwirtschaft zu Kolonialzeiten um den Baumwollanbau herum strukturiert wurde. Ob Gold, Öl und US-Militärs dafür einen Ersatz bieten können, ist fraglich.