Iranische Hochschulen unter Druck: Drastische Islamisierung

Nach den Protesten der Opposition im vergangenen Jahr will die iranische Staatsführung nun die Universitäten von ungewolltem Gedankengut befreien.

Iranische Studentinnen während einer Klausur. Bild: dpa

Zu Beginn des neuen Semesters hat das Regime in Teheran drastische Maßnahmen getroffen. Dabei hat sich die Staatsführung kein geringeres Ziel gesetzt als eine neue Kulturrevolution. Sie soll die Universitäten von westlichem Gedankengut, von liberalen und laizistischen Einflüssen säubern und in rein islamische Lehranstalten verwandeln. Die Hauptaufgabe der Universitäten bestehe darin, Menschen zu erziehen, die später im Beruf in der Lage seien, an der Gestaltung und Weiterentwicklung der islamischen Staatsordnung aktiv mitzuwirken, sagte Kamran Daneschdju, Minister für Lehre und Forschung.

Eine erste Kulturrevolution mit ähnlichen Zielen gab es bereits kurz nach der Gründung der Islamischen Republik 1979. Damals blieben die Universitäten über zwei Jahre geschlossen, neue Lehrpläne, die sich nach den Grundsätzen des Islam richteten, wurden ausgearbeitet, unliebsame Lehrkräfte und Studenten ausgeschlossen. Doch das Vorhaben scheiterte nicht zuletzt an dem Widerstand der iranischen Zivilgesellschaft. Nun möchte die Staatsführung die Kraftprobe wieder aufnehmen, notfalls mit Gewalt.

"Eine Universität, die die Autorität der Geistlichkeit nicht akzeptiert, die Kultur des Wartens (auf den verborgenen Imam) ignoriert und unter dem Vorwand, den Unterricht nicht zu stören, laut vorgetragene Gebete verbietet, sollte überhaupt nicht existieren. Andernfalls würden die Massen, die Studenten und Lehrkräfte eine solche Universität dem Erdboden gleichmachen", sagte Daneschdju.

Seit der Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad, die monatelange Proteste zur Folge hatte, wurde der Druck auf die Universitäten verstärkt. In den Vorlesungen und Seminaren oder auf dem Campus und in den Studentenheimen stehen Studenten und Professoren unter Kontrolle. An jeder Universität gibt es eine Reihe von Basidsch-Milizen, die, als Studenten getarnt, Spitzeldienste leisten. Kontrollen an den Eingängen und Videokameras sollen Auskunft über das Verhalten jedes Einzelnen geben. Alles, was einen Verstoß gegen die strengen Vorschriften darstellt, wird geahndet.

Laut neuen Anweisungen des Ministeriums wird erst eine Warnung ausgesprochen, dann werden die Eltern einbezogen, und als dritte Maßnahme wird der Ausschluss aus dem Lehrbetrieb angeordnet. Der Eifer der moralischen Instanzen geht so weit, dass das Ministerium sich auch als Modeschöpfer betätigt. Kürzlich stellte es Kleider vor, die aus der Sicht der Islamisten moralisch makellos sein sollen. Zur Begründung sagte Aliresa Salehi, Kanzleichef der Asad-Universität, solche Kleider seien auf dem Markt kaum zu finden. Wichtig sei dabei, dass Kleider, Mäntel und Umhänge die Konturen des Körpers verhüllen. Zudem sollten Studentinnen angemessene, unauffällige Farben tragen, also Grau, Schwarz oder Dunkelblau.

Bereits im vergangenen Herbst verkündete Ahmadinedschad, der zugleich Vorsitzender des Obersten Rats der Kulturrevolution ist, den Beschluss zur Islamisierung der Humanwissenschaften. Diese Wissenschaften sind nach Meinung der Staatsführung besonders anfällig für verderbliche Einflüsse des westlichen Gedankenguts.

Laut Daneschdju geht es darum, sämtliche liberaldemokratische und sonstige Ismen aus dem Lehrplan zu verbannen und jene Minderheiten unter den Professoren und Studenten, die solche Gedanken anstreben, aus dem Lehrbetrieb auszuschließen. Die Universitäten müssten in eine "Front gegen die von unseren Feinden angestrebte samtene Revolution" verwandelt werden.

Um die Wissenschaft mit dem Glauben zu vermischen, sollten nach Wunsch der radikalen Geistlichkeit die Universitäten den theologischen Hochschulen unterstellt werden. Wie an den Schulen sollen hunderte Geistliche in den Lehrbetrieb der Hochschulen als bestimmende Instanzen einbezogen werden. Auch die Lehrbücher sollen umgeschrieben werden.

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