Türkei und Armenien: Annäherung im Namen Gottes

Am Sonntag findet auf der türkischen Insel Akdamar bei der Stadt Van nach 95 Jahren der erste Gottesdienst in der armenischen Kirche statt.

Die Kirche des Heiligen Kreuzes auf der Insel Akdamar ist heute nur ein Museum. Bild: reuters

AKDAMAR taz | Auf der unbewohnten Insel Akdamar im größten Binnensee der Türkei, dem Van-See, steht die Kirche des Heiligen Kreuzes. Kleine Fähren bringen Gäste zur Insel. Wer den See entlangfährt, kann sich kaum sattsehen an unberührter, karger Natur.

Das Ufer ist nahezu unverbaut. Schiffe sind nicht zu sehen, dafür herrliche Buchten in einer biblisch anmutenden Berglandschaft. Die Insel war einst wichtiges kulturelles Zentrum der Armenier. Heute ist die Grenze zu Armenien 40 Kilometer entfernt.

Berühmt ist die Insel vor allem wegen ihrer armenischen Kirche zum Heiligen Kreuz. Dort findet am Sonntag erstmals nach 95 Jahren eine christliche Messe statt.

"Im 10. Jahrhundert wurden hier der Palast und die Kirche gebaut. Ein paar Jahre später kam der Katholikos hierher, und plötzlich war dieser Punkt der wichtigstem Punkt überhaupt für die armenische Kirche und den armenischen Staat", erzählt Reiseleiter Engin Baran. Bis zu den Massakern an den Armeniern 1895 unter Abdülhamid dem Zweiten diente die Kirche als Patriarchalkathedrale für das regional bedeutende Katholikat der Armenischen Apostolischen Kirche.

Das Kloster wurde endgültig 1916 geplündert, die Mönche getötet. 2007 wurde die Kirche für umgerechnet 1,5 Millionen Euro vom türkischen Kulturministerium renoviert und als kulturelles Denkmal im Beisein von Premierminister Tayyip Erdogan eröffnet.

Doch einen Gottesdienst genehmigten die türkischen Repräsentanten an diesem Ort damals nicht. Der jetzige Gottesdienst wurde vor allem von der armenischen Kirche in Istanbul initiiert. Doch auch für die türkischen Verantwortlichen ist die Messe inzwischen ein Mosaikstein zur Befriedung der Beziehungen mit Armenien, zu Annäherung und Grenzöffnung.

"6.000 Gäste, vor allem Armenier aus aller Welt, werden am Sonntag erwartet", sagt Hikmet Deniz, der Besitzer des Seerestaurants und Bootsanlegers in Van. "Alle Hotels hier sind diese Woche voll. Vans Einwohner werden auch bei sich zu Hause Gäste aufnehmen. Wir hoffen, dass nach dem Erfolg dieser Veranstaltung auch die Grenze zu Armenien geöffnet wird."

Nersissian, der oberste Patriarch und Katholikos aller Armenier mit Sitz in Armenien, wird trotz offizieller Einladung nicht kommen. Er kritisiert, dass das Gebäude nicht als Kirche, sondern als Museum eröffnet wurde, und dass die türkische Regierung das Aufrichten des Kreuzes auf der Kuppel verboten hat. In der Tat fehlt jegliche Ausstattung für einen Gottesdienst. Die Kirche ist leer, karg und unbelebt.

Für Hakan, den Kioskbesitzer auf der Insel, ist der Gottesdienst vor allem wegen der Hoffnung auf Grenzöffnung, von der die wirtschaftliche Entwicklung der Region entscheidend abhängt, ein weltbewegendes Ereignis. "Armenien ist sehr nahe. Aber heute müssen wir tausend Kilometer reisen, um dorthin zu kommen. Wir haben uns jedenfalls vorbereitet. Wir haben Bücher von Akdamar drucken und kleine Modelle der Kirche machen lassen."

Auch der Chef der Teppichmanufaktur in Van, Halin Köyü, hofft auf eine Belebung des Geschäfts durch den Armeniertourismus. "Wir hoffen, dass die Grenze sich öffnet, dann kann ich viele schöne Karabach-Teppiche hierher bringen."

Die ersten Großinvestitionen finden bereits statt. Derzeit werden Straßen und Wasserkraftwerke ausgebaut. Rund um den See und in Richtung iranischer Grenze fahren Baumaschinen. Auch die Wasserversorgung und das Stromnetz werden modernisiert.

Sogar auf der Insel Akdamar wurde eine Solarenergiestation eingerichtet, um diesen abgelegenen Ort ganzjährig beleuchten zu können. Ein touristischer Masterplan sieht für die nächsten 15 Jahren den massiven Ausbau von Bettenkapazitäten, Golfplätzen, Wasser- und Wintersportanlagen vor.

Die türkische Regierung verfolgt mit dem Entwicklungsprogramm einen klaren Plan: Waren die politisch Verantwortlichen in der Region früher vor allem mit Kurdenflüchtlingen, Verelendung und Terrorismus befasst, so gilt nun die Devise, Entwicklungsgelder in das Land am Ararat zu lenken und kräftig zu investieren. Damit der Plan aufgeht, bedarf es auch der Öffnung nach Armenien.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.