UMZUG
: Wo steckt Sven?

Bislang drücken sich alle erfolgreich um die Waschmaschine

Wir sind seit gut einer Stunde am Schuften. Zwanzig Leute, immer treppauf, treppab. Kartons, Schränke, Taschen. Und bislang drücken sich alle erfolgreich um die Waschmaschine. Wie immer, wenn jemand in meinem Bekanntenkreis umzieht. Beim Verschnaufen auf halber Strecke überlegt mein Schwippschwager laut, dass Sven vermutlich einfach verschlafen habe. Dann klingelt mein Handy. Ich nehme ab. „Morgen, Sven. Na, auch schon wach?“

„Das sagt der Richtige. Ich bin doch schon ’ne Weile hier. Und helf’ beim Tragen. Aber wo seid ihr?“

„Wo bist du?“, frage ich ungläubig. „Na hier.“ „Wo genau?“ „Ich steh grad unten im Hof. ’ne Menge Leute, aber ich kenn’ bislang keinen.“ „Kann nicht sein. Wart mal, ich guck zum Treppenfenster runter. Schau mal nach oben, siehst du mich?“ „Ähm, nö.“ „Ich winke mit meiner Mütze.“ „Ich seh’ keine Mütze, bloß eine alte Frau, die auf ihrem Balkon Wäsche aufhängt.“

„Was für ’ne Hausnummer bist du denn?“ „Wart mal, ich schau mal. 46.“ „46? Thorsten und Maritta ziehen doch in die 42.“ „Bitte?“ „Sven! Wie lang bist du denn schon dort?“ Kurzes Schweigen. „’ne Stunde vielleicht?“ „Du bist jetzt seit einer Stunde in Hausnummer 46 und hilfst wildfremden Leuten beim Umzug?! Ich fass’ es nicht.“

„Boah, ich bin halt noch nicht richtig wach, Alter. Und es war verdammt spät heute Nacht.“

Durchs Treppenhaus brüllt jemand: „Achtung, jetzt kommt die Gefriere“, und während ich mich ganz eng an die Türe einer gewissen Gisela Schneyder presse, wuchten zwei Leute, die ich auch noch nie gesehen habe, ein Monstrum von Gefriertruhe an mir vorbei.

Wenig später taucht Sven auf. Die Geschichte hat bereits die Runde gemacht und alle klatschen und johlen, als er schnaufend im siebten Stock ankommt. „Aber nett“, sagt er, „waren die drüben schon.“ JOCHEN WEEBER