Schiffbruch neben dem Badetuch

BOOTSFLÜCHTLINGE Im atmosphärisch inszenierten Drama „Die Farbe des Ozeans“ von Maggie Peren treffen deutsche Touristen auf den kanarischen Inseln auf illegale Einwanderer aus Afrika. Die Authentizität ist in allen Perspektiven gleich.

VON WILFRIED HIPPEN

Es ist eines der humanitären und moralischen Dilemmas unserer Zeit: Wie geht man mit den illegalen Flüchtlingen um, die meist auf lebensgefährlichen Schleichwegen von den armen in die reichen Länder strömen? Afrikaner versuchen über das Meer nach Europa zu kommen, und dabei sind die vor der westafrikanischen Küste gelegenen Kanarischen Inseln ein beliebtes und deshalb nur um so strenger bewachtes Eingangstor. Dass Teneriffa und Gran Canaria auch beliebte Touristenziele sind, macht diesen Kontrast zwischen Elend und Luxus noch extremer, und genau mit dieser Fallhöhe arbeitet die deutsche Regisseurin Maggie Peren in ihrem international besetzten und produzierten Spielfilm. Die deutsche Touristin Nathalie schwimmt im Meer, während nur ein paar Meter von ihrem Badetuch entfernt ein Boot mit Flüchtlingen aus dem Senagal an den Strand getrieben wird. Tote, sterbende, verdurstende und erschöpfte Menschen füllen den Strand und die junge Frau ist als einzige in der Nähe. Zola, einer der wenigen Überlebenden bittet sie um Wasser für seinen siebenjährigen Sohn. Sie gibt ihm ihre Flasche und läuft zu einem Kiosk, um noch mehr Wasser zu holen. Als sie zurückkommt, sind schon spanische Sanitäter und Polizisten vor Ort. Einer davon ist José, der die Flüchtlinge in ein Lager bringt, sie dort verhört und fast alle sofort wieder in ihre Heimat abschieben lasst.

Von diesen drei Figuren, den Milieus in denen sie leben und den moralischen Entscheidungen, die sie treffen müssen, erzählt der Film und von Beginn an fällt auf, dass Maggie Peren aus allen Perspektiven mit der gleichen Authentizität und emotionalen Wucht inszenieren kann. Nathalie fühlt den instinktiven Drang zu helfen, während Freund Paul sie davor warnt, sich einzumischen. „Es gibt keine Logik“, antwortet sie ihm einmal auf seine pragmatischen Einwände dagegen, Zola und seinem Sohn mit Geld die Flucht ans spanische Festland zu ermöglichen. Die beiden Afrikaner können aus dem Lager fliehen und finden Unterschlupf in einem Schwimmbad. Dort hilft ihnen ein junger Senegalese, doch dieser ist zu freundlich, und Zola erahnt schon die Falle, in die er mit dem von Nathalie geschenktem Geld tappt.

Der spanische Polizist José ist die widersprüchlichste Figur des Films. Er zeigt extreme Härte, wenn er etwa seiner drogensüchtigen Zwillingsschwester jede Hilfe verweigert. Dies ist die ersten Szene, in der wir ihn sehen, und durch sie wird jene Verbitterung verständlich, die ihn zu solch einem unerbittlichen Staatsbeamten hat werden lassen, von dem Flüchtlingen wie Zola kein Verständnis erwarten können. Wie und warum auch José sich im Laufe des Dramas verwandelt, gehört zu den geschickt gesetzten dramaturgischen Wendungen des Films.

Für eine Regisseurin, die als Drehbuchschreiberin angefangen hat (ihr Buch „Vergiss Amerika“ wurde mehrfach ausgezeichnet), inszeniert Maggie Peren überraschend atmosphärisch und mit einem guten Gespür dafür, wo die Stärken der einzelnen Schauspieler liegen. Sie lässt Sabine Timoteo ihre sehnige Nervosität in der Rolle der Nathalie noch betonen, während der Franzose Hubert Koundé als Zola zwar von Stärke und Intensität zu strotzen scheint, aber hilflos in eine immer ausweglosere Situation getrieben wird. Der Spanier Alex Gonzalez hat dagegen die scheinbar undankbarste Rolle. Äußerlich ist er ein gnadenloser Büttel und buhlt in keiner Sekunde um die Sympathie der Zuschauer. Und dennoch lässt er so subtil die inneren Kämpfe der Figur erahnen, dass sein Jose jene Figur ist, über die man noch lange nach dem Ende des Films nachdenkt.