Groove in zugeknöpften Oberhemden

POP Strenge Reduktion und bekiffte Euphorie: Die Band Stabil Elite stellte im ordentlich gefüllten Festsaal Kreuzberg ihr Debütalbum „Douze Pouze“ vor und zeigt sich ganz düsseldorferisch

In ihrem Hit „Gold“ aber liegt Sänger Szymanski mit seinem dramatischeren Tonfall genau richtig

VON TIM CASPAR BOEHME

„Eleganz und Dekadenz“ – sangen Kraftwerk, die Pioniere des elektronischen Liedguts, im Jahr 1977 in ihrer Hymne an „Europa endlos“. Die Worte der Poproboter vom Rhein passen heute, da die Sache mit Europa etwas ins Wackeln geraten ist, vielleicht besser zur Beschreibung der Band Stabil Elite, die wie Kraftwerk in Düsseldorf beheimatet ist. Elegant und dekadent, so klingt ihr gefeiertes aktuelles Debütalbum „Douze Pouze“, und so gaben sich die jungen Musiker auch am Donnerstag im Festsaal Kreuzberg.

Stabil Elite überzeugen seit ihrer EP „Gold“ aus dem vergangenen Jahr mit verlässlichem Stilbewusstsein. Ihre Songs, für die sich die Mittzwanziger von Kraftwerk wie von den Düsseldorfer Krautrockern Neu! gleichermaßen inspirieren ließen, sind minimal gestaltet und brauchen nicht viel mehr als einen sicher gesetzten Groove, liebevoll gestaltete analoge Synthesizerklänge – zur Grundausstattung gehört ein Minimoog aus den Siebzigern – und skizzenhafte Texte, die eine klare Aussage als unhöflich verweigern.

Stilvoll präsentierte sich die Band auch auf der Bühne. Sänger Nikolai Szymanski und Synthesizerbevollmächtigter Lucas Croon trugen schlichte weiße Oberhemden, wobei Croon stets darauf achtet, den obersten Kragenknopf geschlossen zu halten, Gitarrist Martin Sonnensberger hingegen gab den schmierigen Diskomucker im roten Glitzerhemd, kombiniert mit einem farbenfroh ornamentierten Sakko. Wie unnahbare Diven gaben sie sich dabei nicht, eher schüchtern und ein bisschen jungshaft.

Wenn sich Bands heute an das Erbe von Krautrock und verwandten Entwicklungen machen, konzentrieren sie sich in der Regel auf diese paradoxe Mischung aus strenger Reduktion und leicht bekiffter Euphorie, die aus dem unablässigen Vorantreiben der repetitiven Rhythmen entsteht. Neu! haben dieses Verfahren einst so stark perfektioniert, dass man seither von „Motorik“ spricht. Das führt mitunter zu ausgedehnten Exerzitien, die, wenn die Sache gut geht, eine ganz eigene Monumentalität der scheinbaren Stasis erzeugen.

Stabil Elite haben die Motorik als Element in ihren Klang integriert, ohne sich aber eine Viertelstunde mit einer bestimmten Figur aufhalten zu wollen. Ihre Stärke besteht darin, ganz ähnlich wie einst Kraftwerk, die spartanische Wucht des Krautrock in ein übersichtliches Songformat zu übertragen, in dem sich die Kräfte der Wiederholung immer noch genügend entfalten können. Anders als Kraftwerk klingen Stabil Elite jedoch wärmer und zeigen zudem eine leichte Nähe zu den musikalischen Vorformen der Neuen Deutschen Welle, der deutschen Antwort auf Postpunk, für die Gruppennamen wie Der Plan, Fehlfarben oder DAF stehen – die alle ebenfalls aus Düsseldorf stammen.

So hat sich das Trio für die Tour Verstärkung an Bass und Schlagzeug geholt, was für zusätzlichen Druck sorgt. Die akustisch-elektronische Mischung geht gut auf, lässt die Songs hier und da noch etwas dynamischer anrollen, wobei die Synthesizer manchmal etwas in den Hintergrund geraten. Noch nicht so ganz ideal gelöst ist lediglich der Gesang. Nikolai Szymanski singt oder spricht seine kryptischen Botschaften – „Papier, wir fallen in der Gunst / chauffier mich tal- oder längerwärts durch die Luft“ – im Studio mit unaufdringlicher Stimme und deutlicher Zurückhaltung, was sich bestens ins elegante Gesamtbild fügt. Im Konzert schreit er beinahe, was hier und da eher verzweifelt wirkt. In ihrem Hit „Gold“ aber, der knappen König-Midas-Klage „Alles, was ich anfass / wird sofort zu Gold / Ich muss verhungern“, die im vergangenen Jahr zur offiziellen Hymne der Kölner Messe c/o pop gewählt wurde, liegt er mit seinem dramatischeren Tonfall genau richtig.

Nach einer knappen Stunde ist auch schon wieder alles vorbei, Lucas Croon begrüßt das Publikum spaßeshalber noch einmal zum Konzert, und selbst nach zwei Zugaben jubelt der ordentlich gefüllte Festsaal weiter wie zuvor.

■ Stabil Elite: „Douze Pouze“ (Italic/Kompakt)