Radler gefährden den Innenminister: Geheimsache Regierungsviertel

Am Donnerstag wurde der Bebauungsplan für das neue Bundesinnenministerium beschlossen. Dass dabei ein Radweg gekippt wurde, wussten die Abgeordneten nicht.

Der Tunnel unter dem Restaurant Paris-Moskau ist bereits gesperrt Bild: Foto: taz

Der Neubau des Ministeriums ersetzt den gemieteten Standort ein Kilometer weiter westlich an der Straße Alt-Moabit. Baubeginn nach dem Entwurf des Büros Müller Reimann Architekten soll im Frühjahr sein.

Das Restaurants Paris-Moskau darf entgegen ursprünglichen Plänen am alten Ort bleiben. Die alte Terrasse aber wurde bereits im Mai abgebaggert.

Der Rad- und Fußweg durch den Tunnel unter Alt-Moabit bis zum Kanzlergarten ist der erste öffentliche Weg, der einem Ministerium zum Opfer. Der Tunnel (Foto) ist bereits geschlossen.

Der künftige Weg führt nun über Treppen hoch zur Straße Alt-Moabit und den Kastaniensteig parallel zum ursprünglichen Weg hinunter zum Kanzlergarten.

Den Entwurf hatte Bausenatorin Junge-Reyer am Mittwoch vergangener Woche im Bauausschuss vorgelegt. Die Sperrung des geplanten Wegs erwähnte sie nicht. Der Senat hat den B-Plan bereits am 14. September verabschiedet. Mit der Verabschiedung im Abgeordnetenhaus hat der B-Plan Gesetzeskraft.

Interveniert hat der Bund nicht nur wegen des geplanten Wegs, sondern auch wegen eines Rechtschreibfehlers. Ursprünglich fand sich im Entwurf der Satz: "Bei der Kastanienrampe steht die Erschießungsfunktion im Vordergrund." "Um Irritationen zu vermeiden", bat der Bund, das Wort "Erschießungsfunktion" durch "Erschließungsfunktion zu ersetzen". (taz)

Öffentlich, zugänglich, transparent: So sollte das Regierungsviertel in der Berliner Republik sein. Mit dem Neubau des Bundesinnenministeriums (BMI) auf dem Moabiter Werder ist nun Schluss mit der gläsernen Republik. Ein vom Bezirk und Senat ursprünglich geplanter Rad- und Fußgängerweg, der vom Hauptbahnhof und dem Ulap-Park unter der Straße Alt-Moabit zur Ingeborg-Drewitz-Straße führen sollte, fällt den Sicherheitsbedenken des Ministeriums zum Opfer. Ein entsprechender Bebauungsplan wurde am Donnerstag Abend vom Abgeordnetenhaus beschlossen.

Zuvor war der "Bebauungsplan II-200g Moabiter Werder Nord" dem Hauptausschuss und dem Bauausschuss des Abgeordnetenhauses bereits vorgelegt worden. Weil die Fraktionen keine grundlegende Kritik formuliert hatten, wurde er auf die sogenannte Konsensliste gestellt. Damit war die Verabschiedung im Plenum nur noch Formsache.

Dass sie damit erstmals einem Ministerium einen öffentlichen Weg opferten, war den Abgeordneten nicht bewusst. "Davon höre ich zum ersten Mal", sagt der grüne Baupolitiker Andreas Otto der taz. Tatsächlich war von einer Sperrung keine Rede als Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) den Bebauungsplan am Mittwoch vergangener Woche im Bauausschuss vorstellte. "Wir haben extra nach den Sicherheitsvorkehrungen gefragt", ärgert sich auch der baupolitische Sprecher der Linken, Uwe Doering, "Wenn wir gewusst hätte, dass da ein Weg wegfällt, wäre das etwas anderes gewesen", so Döring.

Nicht glücklich mit den Sicherheitsanforderungen des Innenministeriums war ursprünglich auch Junge-Reyers Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Gegenüber dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordung (BBR) als Bauherr aber knickte die Senatorin bald ein. Mehr noch: Junge-Reyer kam sogar einer Aufforderung nach, die Sperrung des Tunnels und die Nichtrealisierung des Wegs nicht in Zusammenhang mit Sicherheitsthemen zu bringen.

So heißt es in einer Stellungnahme des BBR, die der taz vorliegt: "Das BMI bittet Hinweise auf Sicherheitserfordernisse im Text nicht aufzuführen." Die Antwort der Stadtentwicklungsverwaltung: "Der Anregung, die Sicherheitsanforderungen nicht weiter auszuführen, wird nachgekommen."

Die Anforderung, der Junge-Reyers Verwaltung so willfährig entgegenkam, ist der Sicherheitsabstand zwischen dem geplanten Ministeriumsneubau und der sogenannten Kastanienrampe, die östlich der nun gekappten Durchwegung liegt. Vor der Intervention des BBR war in der Planung zwischen Ministerium und Kastanienrampe genügend Platz für einen Weg gewesen. Doch dann forderte das BMI die Ausweitung des sogenannten Sonderbereichs im Bebauungsplan bis zur Kastanienrampe selbst. Als Ausgleich soll das Land Berlin an anderer Stelle eine Fläche vom Bund bekommen.

Der Baustadtrat von Mitte, Ephraim Gothe (SPD), hat lange für die Offenhaltung des Tunnels und den geplanten Weg gekämpft. Dass der Senat dem Bund nachgab, kann er nicht verstehen. "Es geht doch um die Frage, wie stark das Regierungsviertel vom Rest der Stadt abgeschirmt ist."

Ephraim Gothe, ein Parteifreund der Stadtentwicklungssenatorin, sieht da einen Trend zum Schlechteren. "Das Gleiche haben wir beim Reichstag, wo bei Sitzungswochen des Bundestags bis zu 60 Limousinen parken." Dabei gebe es laut Gothe ein ausgeklügeltes unterirdisches Parksystem. "Hier besetzt der Bundestag widerrechtlich öffentlichen Raum", so Gothe.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.