Wenn’s dunkel wird in der Innenstadt

INTERVENTIONEN Mischa Kuball hat für Wolfsburg Lichtinstallationen erfunden, die den Stadtraum abtasten und zu neuen Deutungen einladen. Diese Lichter sind oft nicht schön, sondern sogar extra „fies“

Die Licht-Choreografie gibt es schon, die genauen Taktfrequenzen aber noch nicht

Zweimal ist der Düsseldorfer Künstler Mischa Kuball in Braunschweig mit seinem Projekt „Powerhouse“ für den Lichtparcours in den Jahren 2000 und 2010 erfolglos angetreten, zweimal wurde es nicht realisiert. Kuballs künstlerische Intervention sah einen Kubus im Stadtraum vor, dessen vier – je acht Meter lange – Seitenflächen beliebige Fassaden der Umgebung zitierten und sie, von innen heraus, mit gleißendem Licht anstrahlten. Zyklisch sollte ein Lichtregler dabei auch krude Dunkelphasen schalten, die für An- und vor allem auch Abwesenheit lebendigen innenstädtischen Lebens stehen sollten.

Dieser überdimensionale und im Stadtraum fürchterlich sperrige Leuchtkasten traf aber so gar nicht den Geschmack der Braunschweiger Bürger und Sponsoren, die sich unter Lichtkunst eher dekorative Illuminationen ihrer historischen Orte versprachen.

Umso mehr hat sich Mischa Kuball – Jahrgang 1959 und in der Lichtkunstszene seit seiner 2007 angetretenen Professur für Medienkunst an der Kölner Hochschule eine international anerkannte Kapazität – über das Angebot der Städtischen Galerie Wolfsburg gefreut, dort einige – auch ganz neue – Arbeiten auszustellen und eine Außeninstallation für das Schloss, den Sitz der Galerie, zu erfinden.

In Kuballs Arbeiten hat das Kunstlicht keine reduziert ästhetische Funktion. Es dient dazu, Situationen und Architekturen auszuleuchten – mit der Aufforderung, genauer hinzuschauen und erhellende neue Einsichten zu erfahren, auch im abstrakten oder sozialen Sinnzusammenhang.

„100 Lichter/100 Gesichter“ war eine Aktion zur Kulturhauptstadt Ruhr 2010. Eine helle Kugelleuchte stellte Mischa Kuball damals 100 Migranten in deren Wohnung, ein Fotograf hielt diese minimal verfremdeten und gleichgeschalteten Schicksale damals in einem Bildband fest.

Kuballs Licht ist nie nur „schön“. Er zeigt gern und ausgiebig auch das zerstörerische Potenzial der künstlichen Helligkeit. So ist ein Teil seiner Wolfsburger Ausstellung „Fieses Licht“betitelt: Ein Leuchtkasten spielt extreme Hell-Dunkel-Unterschiede aus – bis zur fehlenden Erkennbarkeit in beiden Bereichen. Eine andere für Wolfsburg ersonnene Arbeit ist mit dem Abbild einer Straßenlaterne versehen und mit toten Insekten bestückt. Denn Kuballs Wunsch nach einer Arbeit im Fensterbereich, die lebende Insekten anlocken sollte, wollte die Städtische Galerie dann doch nicht entsprechen.

Nun kann man in Ruhe dessen harren, was sich ab Samstag allabendlich mit Einbruch der Dämmerung an der Südfassade und den beiden Türmen des Wolfsburger Schlosses ereignen wird. Eine Licht-Choreografie aus konstantem Leuchten und punktuellem Blinken ist bereits erfunden, die genauen Taktfrequenzen legt Mischa Kuball aber erst am Eröffnungsabend fest.

BETTINA MARIA BROSOWSKY

Eröffnung: 5. 5., 21 Uhr, Bleichwiese am Schloss Wolfsburg. Ausstellung bis 1. 9. 2012