Todesschütze von Florida wegen Mordes angeklagt

USA Wachmann, der einen 17-jährigen Schwarzen erschoss, drohen mindestens 25 Jahre Haft

„Wir wollten eine Festnahme, und das haben wir erreicht“

MUTTER SYBRINA FULTON

BERLIN taz | Wende im Fall des Ende Februar in Sanford, Florida, erschossenen 17-jährigen Schwarzen Trayvon Martin: Am Mittwochabend erließ die Anklägerin Haftbefehl gegen den Todesschützen, den 28-jährigen George Zimmerman. Der private Wachschützer in der geschlossenen Wohnanlage, in der Martin ums Leben kam, war zunächst nicht verhaftet worden, weil er sich auf Notwehr berief. Martin habe ihn angegriffen, sagte er vor der Polizei aus. Später reklamierte er sogar, einen Nasenbeinbruch bei dem Kampf davongetragen zu haben – auf den Polizeivideos von der Vernehmung, unmittelbar nach der Tat erscheint er jedoch völlig unverletzt. Die Polizei und der Chef der Verfolgungsbehörden sahen jedoch keine Veranlassung, Zimmerman keinen Glauben zu schenken, und verzichteten auf Verhaftung und Anklage.

Doch in der Öffentlichkeit blieb der Verdacht, dass Martin vor allem deshalb erschossen worden war, weil er schwarz ist. Überall im Land wurde demonstriert, im Kongress prangerten Abgeordnete Rassismus an. Präsident Obama sagte, wenn er einen Sohn hätte, sähe der so aus wie Trayvon. Das gesamte Basketball-Starteam der Miami Heat posierten in Kapuzenpullis und drückten ihre Solidarität mit den Eltern des 17-Jährigen aus, die eine Verhaftung des Schützen und ein Verfahren forderten.

Dieses Verfahren wird es jetzt geben. Zimmerman wird des Mordes zweiten Grades angeklagt. Höchststrafe: lebenslange Haft, Mindeststrafe: 25 Jahre Haft. Auch ein Freispruch ist möglich, denn die Beweislage ist unklar. Das seit 2005 geltende „Stand your Ground“-Gesetz Floridas, das auch außerhalb der eigenen Wohnung die Anwendung tödlicher Gewalt zulässt, wenn sich jemand an Leib und Leben bedroht fühlt, dreht die Beweislast um: Nicht der Täter muss nachweisen, dass er wirklich bedroht war, sondern die Gegenseite muss beweisen, dass dem nicht so war.

Das könnte schwierig werden. Denn bislang ist über den Tathergang nur so viel bekannt: Der 17-jährige Trayvon Martin war auf dem Rückweg von einem Seveneleven-Laden, in dem er Süßigkeiten und Eistee gekauft hatte, nach Hause. Er trug einen Kapuzenpullover. George Zimmerman, der private Wachschützer, beobachtete Martin und folgte ihm im Auto. Dann rief er die Polizei an und meldete, einen „Verdächtigen“ zu beobachten.

Der Polizist am anderen Ende der Leitung fragte, ob Zimmerman dem Mann folge, was dieser bejahte. „Okay. Das müssen Sie nicht machen“, sagte der Polizist. „Okay“, antwortete Zimmerman.

Kurze Zeit später rief Martin per Handy seine Freundin an und sagte ihr, dass ihn jemand verfolge. Das berichtet der Anwalt von Martins Eltern. Am Telefon sei noch zu hören gewesen, wie eine Stimme Martin fragte, was er hier mache – dann sei die Leitung tot gewesen.

Anders erzählt es Zimmermans Vater. Sein Sohn habe Martin verloren, der habe ihn dann aber plötzlich von hinten angegriffen. Zeugen sagten in Anrufen bei der Polizei, sie hätten beide Männer im Handgemenge gesehen. Dann schoss Zimmerman – Martin wurde in die Hüfte getroffen und starb. Wie genau es zum Zusammentreffen kam, dürfte im Zentrum der Ermittlungen und des Verfahrens stehen.

Die zuständige Staatsanwältin Angela B. Corey wies am Donnerstag die Vermutung zurück, dass die Behörde auf öffentlichen Druck gehandelt habe. Schwarz und Weiß seien für Strafverfolger keine Kategorien, sagte sie, sie kenne nur Opfer.

Präsident Barack Obama sagte, wenn er einen Sohn hätte, sähe der so aus wie Trayvon

In Washington sagten Sybrina Fulton und Tracy Martin, die Eltern des getöteten Jungen, sie seien erleichtert über den Schritt der Staatsanwaltschaft. „Wir wollten einfach eine Festnahme“, sagte Fulton, „wir wollten nicht mehr und nicht weniger, und wir haben das erreicht.“

BERND PICKERT

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