KURZTRIP (2)
: Im Flugzeug

Auf Augenhöhe wattige Wölkchen

Es war ein Flugzeug mit zweisitzigen Reihen. Mit roten Strichen an den Flanken. Hübsche Stewardessen, hübsche Piloten. Ich hielt mich an einer Turbine fest. Am Lächeln der Luftfracht. An den Himmeln über Europa, an der Zuversicht der Technik. Als die Maschine zu rollen begann, kribbelten meine Finger, ich schwitzte aus allen Poren, die Maschine zog eine Kurve, beschleunigte heftig und hob ab, und mit ihr mein Magen.

In der Reihe vor mir saß eine Frau, die sich mit ihrer Brille auch ihrer Attraktivität entledigte. Eine ältere Dame in den hinteren Sitzen hatte ihre Katze in einem Plastikkäfig mitgebracht, die Katze schlief; von dem Mann in der Reihe jenseits des Gangs, der den Flug über seine Sitzhaltung nicht änderte, konnte ich das Ohrenschmalz sehen.

Meine Sitznachbarin fotografierte mit einer kleinen, blitzenden Knipse aus dem Fenster, knipste die kleiner werdende Stadt, den verschwindenden Turm, die hellen Dächer, den dunklen Fluss, ich klemmte den Blick auf das hochgeklappte Tablett am Vordersitz. Die Luft wurde dünn, man verwandelte sich zur Sardine. Konserviert und vergurtet, eingesperrt in eine sausende Büchse, die knapp unterhalb des Weltalls knapp unter Schallgeschwindigkeit den Raum zerschnitt. Und eine giftige weiße Linie ins Blau zog. In dieser Büchse saßen die Kinder des Fortschritts und lasen Zeitung oder mampften Essen aus Plastik in sich hinein. Rutschten auf den Sitzen herum und hingen erotischen Fantasien nach. Unter ihnen zogen Landschaften, winzige Städte, Flussfäden und gelegentlich ein Nebelflausch ab. Auf Augenhöhe wattige Wölkchen und die Illusion, statt in einer echten nur in der simulierten Gefahr eines Fahrgeschäfts zu sitzen. Die allgemeine Ausrede ist, dass Zeit gespart wird, unglaublich viel Zeit, und die Angst und die Beklemmung ist der Preis, den man dafür zu zahlen hat. RENÉ HAMANN