Keine Tickets nach Kabul

Heutige Abschiebung von Afghanen scheitert erneut: Aus „buchungstechnischen Gründen“ kann Hamburgs Innenbehörde die geplanten Ausreisen nicht durchsetzen. Innensenator Nagel will dennoch unbeirrt an seiner harten Linie festhalten

Von Elke Spanner
und Sven-Michael Veit

Am Ticketschalter ist die für heute vorgesehene Abschiebung von Afghanen aus Hamburg nach Kabul geplatzt. Aus „buchungstechnischen Gründen“, erklärte Norbert Smekal, Sprecher der Ausländerbehörde, haben die betroffenen Bürgerkriegsflüchtlinge noch einen Aufschub bekommen: Die Maschine von Frankfurt/Main nach Kabul war schlichtweg ausgebucht. Ein neuer Abschiebetermin steht noch nicht fest. Am Freitag, aber „spätestens kommenden Mittwoch“, kündigte Smekal an, würden bundesweit erstmals Afghanen gegen ihren Willen in ihr Herkunftsland zurückgebracht.

Von einer Panne der Behörde könne keine Rede sein, erklärte Innensenator Udo Nagel (parteilos) gestern Abend auf einer gemeinsamen Sitzung von Innen- und Rechtsausschuss der Bürgerschaft im Rathaus. Es sei „definitiv falsch“, der Ausländerbehörde zu unterstellen, sie könne die angekündigten Abschiebungen organisatorisch nicht umsetzen. „Technische Probleme“ gebe es immer mal, ebenso wie Menschen, „die nicht ausreisen wollen und deshalb Rechtsmittel einlegen“ würden. „Das ist eben so“, lautet Nagels Erkenntnis.

Nach der neuesten Zählung seien in Hamburg 3.148 afghanische Flüchtlinge geduldet und weitere 2.497 in Asylverfahren. Nur diese kämen überhaupt, rechnete Nagel vor, für eine Abschiebung in Frage, und von ihnen zunächst nur ledige Männer zwischen 18 und 60 Jahren – unmittelbar betroffen seien zunächst etwa 200 Afghanen. Bis zum Herbst seien wöchentlich weitere Rückführungen vorgesehen, kündigte der Innensenator an, der seinen Kurs „konsequent durchhalten“ möchte: „Der Krieg in Afghanistan ist seit drei Jahren vorbei, das Land ist im Aufbau.“

Im Fall der Afghanistan-Flüchtlinge scheint das Amt aber über Nagels verbissen verfolgten Plan zu stolpern, Abschiebungen entgegen der Bundespolitik und ohne jegliche Vorbereitung durchzuziehen. Schon vorigen Mittwoch war es der Ausländerbehörde nicht gelungen, sechs Männer nach Kabul auszufliegen: Sie hatten dagegen Rechtsmittel wie Asylanträge oder Petitionen eingelegt. Nagel musste sich daraufhin aus den eigenen Reihen Dilettantismus vorwerfen lassen. Der CDU-Abgeordnete Christoph Ahlhaus hatte vom Innensenator in öffentlicher Erklärung verlangt, Abschiebungen gefälligst so vorzubereiten, dass „auch tatsächlich abgeschoben werden kann“.

Die rot-grüne Opposition erneuerte gestern ihre Forderung, auf Abschiebungen nach Afghanistan zum jetzigen Zeitpunkt zu verzichten. Nagel solle nicht länger versuchen, sich als Hardliner aufzuspielen, verlangten Aydan Özoguz (SPD) und Antje Möller (GAL) übereinstimmend. Erforderlich seien „eine Härtefallregelung“ und eine „gemeinsame Linie“ aller Innenminister, meinte Özoguz. Der Senator müsse „seine Pläne für einen Hamburger Alleingang noch einmal überdenken“, mahnte Möller.

Die Ausländerbehörde versucht nun offenbar, für Freitag bei verschiedenen Airlines Plätze in Kabul-Flügen zu buchen. Wie viele Afghanen dann abgeschoben werden sollen, verrät Sprecher Smekal nicht. Für heute war der Flug für „bis zu fünf“ Flüchtlinge vorgesehen, direkt vorgeladen war aber offenbar nur ein Mann. Da kaum einer der in den vergangenen sechs Jahren eingereisten Afghanen ein Asylverfahren durchlaufen hat, steht ihnen die Möglichkeit noch offen, einen entsprechenden Antrag zu stellen.

Auf der Ausschusssitzung gestern Abend bekräftigte GALierin Möller die Bilanz der einwöchigen Afghanistan-Reise, die sie und die Flüchtlingspastorin der Nordelbischen Kirche, Fanny Dethloff, unternommen hatten (taz berichtete). Für Abschiebungen in das frühere Bürgerkriegsland sei es jetzt noch zu früh. Afghanistan sei entgegen der Aussagen Nagels nicht sicher – sie selbst war nur knapp einem Bombenanschlag entkommen. Zudem sei das einzige soziale Netz die Familie, und wer keine Angehörigen mehr habe oder in Kabul fern der Familie abgesetzt werde, hätte dort kaum eine Chance zurechtzukommen. Die Arbeitslosigkeit sei hoch, die Zahl der Obdachlosen auch. Möller plädierte dafür, von Abschiebungen abzusehen, bis auf Bundesebene die Bedingungen geregelt seien und den Flüchtlingen Hilfen angeboten werden könnten.