Weltwandel ohne Prozente

GEWINN Für Anleger, die über das mentale oder finanzielle Polster verfügen und auf die Erträge ihrer Einlagen verzichten können, gibt es spannende Möglichkeiten zu investieren: das „Protestsparen“

Die Erträge haben das Potenzial, eine breite Gegenöffentlichkeit zu schaffen

VON VOLKER ENGELS

„Protestsparen“, hinter diesem Begriff verbirgt sich eine einfache Idee: Während der klassische Anleger mit der Rendite seines Kapitals im besten Fall langsam, aber sicher sein Kapital erhöht, verzichten Anleger, die ins Protestsparen investieren, auf diesen Kapitalzuwachs. Die Erträge werden nicht dem eigenen Konto gutgeschrieben, sondern helfen dabei mit, Protestbewegungen finanziell zu fördern.

„Wir sparen uns nicht den Protest, wir sparen für den Protest“, sagt Jörg Rohwedder, Geschäftsführer der Bewegungsstiftung, die das Protestsparen initiiert hat. Die Bewegungsstiftung nimmt auf drei, vier oder sechs Jahre befristete zinslose Darlehen entgegen. Das zinslos geliehene Geld wird bei ethisch und nachhaltig wirtschaftenden Banken angelegt. Die Erträge fließen in den Fördertopf der Bewegungsstiftung zurück, die damit Protestbewegungen unterstützt, die sich für Ökologie, Frieden und Menschenrechte einsetzen. Vor einigen Jahren hat die Stiftung mit einem ähnlichen Modell Zinserträge von 12.000 Euro eingesammelt, mit denen die Kampagne „Atomausstieg selber machen“ unterstützt wurde.

Die Mindestanlage beträgt 3.000 Euro, nach oben gibt es keine Grenze. „Von Oktober bis Dezember des vergangenen Jahres haben wir 225.000 Euro eingesammelt, das größte Einzeldarlehen lag bei 100.000 Euro“, so Rohwedder. Weil es sich beim Protestsparen um ein zinsloses Darlehen handelt, müssen die Geber keine Zinserträge versteuern. Zumindest theoretisch könnte eine Insolvenz der Stiftung dazu führen, dass die Einlage nicht oder nur teilweise zurückgezahlt wird. Bei einem Stiftungsvermögen von rund 5 Millionen Euro sei das aber „sehr unwahrscheinlich“, unterstreicht der Geschäftsführer.

Anleger, die ins Protestsparen investieren, werden in regelmäßigen Rundschreiben und Newsletter darüber informiert, welche Projekte aus den Zinserträgen gefördert werden.

„Ich finde es wichtig, dass durch das Protestsparen für politische Aktionen Geld zusammenkommt“, sagt Detlef von Larcher. „Die Verteilungsgerechtigkeit wird immer schiefer, egal wer gerade an der Regierung ist“, so der ehemalige Bundestagsabgeordnete, der bereits vor Jahren ins Protestsparen investiert hat. Die Erträge aus dem Protestsparen könnten einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, „eine breite Gegenöffentlichkeit zu schaffen“.

Auch Protestforscher Dieter Rucht, der bis 2009 selbst im Stiftungsrat der Bewegungsstiftung saß, ist von der Idee überzeugt: „Poteste sind keine Selbstläufer und müssen sich professionalisieren, das kostet Geld.“ Rucht hat beobachtet, „dass es inzwischen viele Menschen gibt, denen die Probleme der Gesellschaft als drängender erscheinen als die schnelle Rendite“.

In Zukunft, glaubt der emeritierte Professor, würden solche Finanzierungsmodelle eher noch zunehmen: „Verglichen mit den USA gibt es noch einen deutlichen Nachholbedarf“. Bei aktuellen Zinsen, die um die 1-Prozent-Marke tingeln, ist der finanzielle Verlust engagierter Anleger aber ja auch eher gering. Die politische Rendite dafür ist aber umso größer.