leserinnenbriefe
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Kleine Gesten zählen

■ betr.: „Fettiges Fastfood für die Bildung“, taz vom 10. 8. 09

Auf den Zynismus und die Verhöhnung von Lehrern, die aus den zitierten Worten des parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium für Verteidigung, Thomas Kossendey, sprechen, möchte ich nicht weiter eingehen. Als mehr als bedauerlich betrachte ich jedoch, dass hier seitens eines Bundesministeriums Gelegenheiten nicht genutzt werden, Glaubwürdigkeit politischer Absichtserklärungen gegenüber Jugendlichen/Schülern unter Beweis zu stellen. Schüler lassen sich durchaus noch dadurch beeindrucken, dass nicht nur „gelabert“ wird, sondern auch Aktionen erfolgen, auch unspektakuläre durch Gestaltung des Kantinenessens.

Sollten Schüler in der hauseigenen Kantine des Bundesministeriums für Verteidigung ein Mittagessen einnehmen dürfen – wie offensichtlich andere Besuchergruppen auch – und erleben, dass dort in der Küche regionale und saisonale Nahrungsmittelangebote verarbeitet, fair gehandelter Kaffee und Tee gereicht würden, wäre das eine unschätzbare Unterstützung politischer Bildungsarbeit in den Schulen. Schüler erführen darüber hinaus auch eine Wertschätzung ihrer Person. Es sind die kleinen Gesten, die zählen. BRIGITTA DORSCHFELDT, Berlin

„Schwäche“ bremsen

■ betr.: „Das CO2-Massaker“, sonntaz vom 8. 8. 09

Ja, er fliegt nach Kalifornien auf Urlaub. Ja, er wird ein Auto mieten. Ja, er hat Schuldgefühle. Und, ja, seine Freunde spüren eine psychische Entlassung. Alles klar und deutlich, aber dann meint er, dass es etwas Gutes daran hätte. Eh? Und ich, trotz mehrfachen Lesens, konnte seine Gedankenfolge leider nicht entziffern. Zum Beispiel meint er: „Allein wird die Politik das nicht machen können“, und wir brauchen eine „neue gesellschaftliche Klimakultur“. Aber was hat das mit seinem „Fliegen“ oder „Nichtfliegen“ zu tun?

Die einzige Schlussfolgerung, die ich identifizieren konnte, war die Tatsache, dass „wir alle schwach sind“ (auch Herr Unfried). Das ist nichts Erstaunliches. Aber wenn man diese „menschliche Schwäche“ erkennt, dann darf man doch nicht auf eine wundersame neue „Klimakultur“ warten oder hoffen. Nein, man muss mit aller Dringlichkeit Regeln, Steuern und Preiserhöhungen einführen, um unsere „Schwäche“ zu bremsen und somit das Klima zu retten. ALAN SEARLE, Köln

„Scheiß auf meinen Flug“

■ betr: „Das CO 2- Massaker“

Vielen Dank an Peter Unfried für seine Klarstellung zum Thema „Neue Ökos“. Zuerst reibe ich mir die Augen, als er seinen diesjährigen Urlaubsflug trickreich in einen Beitrag zur Etablierung einer neuen Kultur des Nichtfliegens umdefiniert. Beim zweiten Lesen schält sich dann sein Kernsatz heraus: „Scheiß auf meinen Flug.“ Jetzt habe auch ich es begriffen: Die Neuen Ökos haben die Welt nur anders interpretiert, es kommt aber darauf an, sie zu verändern. MATTHIAS BAUER, Berlin

Nur fliegen ist schöner

■ betr: „Das CO 2 -Massaker“

In seinem Rechtfertigungsversuch übersieht Peter Unfried den wichtigsten Grund für sein Fehlverhalten: er, seine touristisch orientierten Freunde und viele andere sind seit Langem nicht in der Lage oder nicht willens, Wissen und Verhalten in Einklang zu bringen. Vor vielen Jahren schon gab es von der SPD eine Veranstaltung mit dem Titel: „Wir wissen fast alles, aber wir tun fast nichts.“ Dieses Missverhältnis zwischen Einsicht und Tun ist bei den Deutschen besonders ausgeprägt beim touristischen Verhalten. Die vorübergehende Erlaubnis (Urlaub), vom Dienstverhältnis freigestellt zu sein, hat zu einem kollektiven Zwangsverhalten geführt: Man muss wegfahren, und zwar möglichst weit weg.

Unfried meint, wir hätten „im Prinzip“ das „Nichtfliegen bereits als neue Kultur definiert“. Das ist ja das Problem: Nur im Prinzip haben die Klimaschwätzer das schon lange auf dem Papier „definiert“ (vgl. Marcel Hänggi: „Wir Schwätzer im Treibhaus. Warum die Klimapolitik versagt“). Im Prinzip ja, schlechtes Gewissen, alles ist da. Nur es folgen daraus keine Verhaltensänderungen. Die Deutschen fliegen ungebrochen als touristische Weltmeister auf dem Globus herum, und in Berlin wird ein bombastischer Flughafen gebaut, der viele neue Flugtouristen zur Folge haben wird.

Dabei drängt dramatisch die Zeit. „Wir sind gerade in diesen Jahren dabei, das Klima gegen die Wand zu fahren“ (Rahmstorf). Spätestens seit dem Erdgipfel in Rio 1992 weiß man, dass auch eine grundlegende Veränderung der angewöhnten entfernungsintensiven Lebensweise erforderlich ist. Hätte man damals mit den Veränderungen begonnen, wäre die Klimakatastrophe vielleicht abzuwenden gewesen. Derzeit klappt das Zeitfenster zu, sagt der Potsdamer Klimaforscher Stefan Rahmstorf. Uninformiert oder ignorant meint Unfried wohl, wie viele andere, dass noch genügend Zeit zu Verhaltensänderungen in einer ferneren Zukunft zur Verfügung stünde. Oder sie setzen auf den illusionären bequemen Weg, dass die Ingenieure das Problem lösen und die Party munter weitergehen kann. Wenn andere Herumflieger sich durch das rücksichtslose Verhalten des angeblichen „Klimastrebers“ psychisch entlastet fühlen, so hat das überhaupt nichts „Gutes“. Sie werden durch sein entlastendes Vorbild auch im nächsten Jahr erst recht nicht ihr Verhalten ändern.

Vielleicht lesen wir ja in der nächsten Woche von Peter Unfried eine ganz andere Geschichte: „Wir waren nicht in Kalifornien. Das war alles nur ein Test, weil ich auf die Reaktionen gespannt war. Wir sind in Wirklichkeit mit den Rädern auf wunderbar ausgebauten Radwegen in herrlicher Landschaft von Berlin an die Ostsee gefahren.“ OTTO ULRICH, Berlin