Künast nominiert: Der Wettlauf beginnt

Grüne nominieren ihre Bundestagsfraktionschefin Renate Künast fast einstimmig für den Posten der Regierenden Bürgermeisterin. Parteichefin warnt vor zu großer Siegeszuversicht.

Die nun ganz offiziell Nominierte im Kreise ihrer Partei. Bild: reuters, Thomas Peter

"Und die wollen regieren?" So richtig kann sich die Kollegin auf der Pressebank das nicht vorstellen. Erst gibt's beim Grünen-Parteitag am Sonntag zu wenig Stromleitungen, dann kein Kaffee-Nachschub im Foyer. Und über eine Dreiviertelstunde nach angekündigten Beginn geht es noch immer nicht los, weil die Tagesordnung weiterhin fehlt - der Drucker sei überlastet. So können all jene beruhigt aufatmen, die schon befürchtet hatten, die Grünen könnten als Regierungspartei in spe plötzlich pünktlich und organisiert werden - und langweiligen Sekundärtugenden verfallen.

Renate Künast, Chefin der grünen Bundestagsfraktion, hatte am Freitag im Museum für Kommunikation ihre Bereitschaft verkündet, bei der Wahl im September 2011 für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin zu kandidieren. In den Uferstudios in Wedding, einem ehemaligen Bus-Instandsetzungswerk und jetzigem Kreativstandort, machen am Sonntag über 150 Delegierte aus dieser Bereitschaft eine offizielle Nominierung, ohne Gegenstimme und bei nur einer Enthaltung. Künast war bereits in den 90er-Jahren Spitzenkandidatin der Grünen für die Abgeordnetenhauswahl - aber angesichts der damaligen Wahlergebnisse ohne Anspruch auf den Chefposten im Roten Rathaus. Aktuell hingegen führen die Grünen mit bis zu 30 Prozent klar vor der SPD und könnten sich aussuchen, ob sie mit Sozialdemokraten, CDU oder Linkspartei koalieren.

Entsprechend euphorisch ist die Stimmung beim Parteitag. Jetzt werde auch der immer noch rot genannte Wedding grün, ruft die Landesvorsitzende Irma Franke-Dressler zur Begrüßung den Delegierten zu. Das soll schon an den grünen Bärentatzen abzulesen sein, die vor dem Sitzungssaal aufgeklebt sind. Wie um sich selbst und ihre Parteifreunde zu bremsen, warnt Franke-Dressler aber vor zu großer Siegeszuversicht: "Das wird keine gemütliche Kutschfahrt zum Roten Rathaus, das dann grün werden soll, sondern eine anstrengende Ochsentour."

Das Thema Biomasse hat für die heftigste Diskussion beim Grünen-Parteitag zu den Themen Klima, Energie und Verkehr geführt, der ansonsten von der Nominierung Künasts geprägt war. Hintergrund ist, dass der Energieversorger Vattenfall für zwei neue, mit Holz zu befeuernde Heizkraftwerke nicht genug Holz im Umland findet und deshalb importieren will. Der Unmut der Grünen richtet sich vor allem gegen die Absicht, Holz aus Liberia zu importieren. Mehrere Redner lehnten Importe generell ab. Der Landesvorstand hingegen wollte sie nicht generell ausschließen, sofern die Einhaltung von Standards gewährleistet ist.

Beide Seiten verständigten sich darauf, eine Kommission aus externen Fachleuten einzurichten - ganz nach dem Motto: "Und wenn ich nicht mehr weiterweiß, dann gründ ich einen Arbeitskreis."

Künast geht in die gleiche Richtung. "Wir halten Bodenkontakt", sagt sie in einer Rede kurz vor ihrer Nominierung. Und schwört die Grünen - ohne den Begriff Volkspartei zu verwenden - darauf ein, sich mit einer Rolle als breit aufgestellter Partei anzufreunden. Es gehe nicht um einzelne Projekte, sondern darum, Verantwortung für die gesamte Stadt zu übernehmen. "Die Berliner Grünen sind bereit, diese Verantwortung anzunehmen", sagt Künast und wehrt sich damit zugleich gegen den Vorwurf der Klientelpolitik. Den hatte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) geäußert, der ihr im Spiegel vorwarf, sie habe bei ihrer Rede am Freitag "einfach vielen vieles verheißen". Wenn es wieder um ernsthafte Politik gehe, "wird sich das entzaubern".

Das lässt Künast nicht auf sich sitzen und kontert: Welches der vielen harten Probleme Berlins habe Wowereit denn bislang gelöst, fragt sie die Delegierten. "Vielleicht sollte er lieber etwas ruhiger sein an dieser Stelle und arbeiten gehen." Und sie geht auch auf die wiederholte Forderung Wowereits ein, sie solle bei einer Kandidatur ihren Posten als Bundestagsfraktionschefin aufgeben. Sie müsse "ohne Rückfahrkarte in die Bundespolitik" antreten, hatte der Regierende Bürgermeister gedrängt. Täte Künast das und würden die derzeit hohen Grünen-Werte noch einbrechen, drohte der früheren Bundesministerin ein Dasein als weitgehend machtlose Oppositionspolitikerin in einem Landesparlament.

Darauf will sie sich offensichtlich nicht einlassen. "Wo immer ich bin, es geht immer um Berlin", sagt sie mit einem kurzen Abriss ihrer Biografie - "um das mal klarzustellen, weil der Regierende Bürgermeister zum Fahrkartenhändler wird." Sie setze auf Sieg, ruft sie den Grünen-Delegierten zu, "und nur auf Sieg, ich will mit Euch Regierende Bürgermeisterin werden."

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