Familiennachzug wird verschärft: "Soziale Apartheid" in Dänemark

Kopenhagen verschärft erneut das Ausländerrecht. Familiennachzug ist nur bei Erfüllung "integrationsrelevanter" Kriterien möglich.

Dänische Immigranten bei der Wahl Bild: dpa

Die Regierung in Kopenhagen hat ein neues Gesetzespaket präsentiert, das den Familiennachzug massiv begrenzen will. Schon nach geltendem Recht müssen beide Partner einer Familienzusammenführung mindestens 24 Jahre alt sein. In Zukunft müssen sie auch noch die Mindestquote eines "integrationsrelevanten" Punktesystems erfüllen. Benotet werden Ausbildungsniveau, Sprachkenntnisse, mutmaßliche Chancen auf dem Arbeitsmarkt und Wohnungssituation. Statt bislang schon 7.000 muss ein Bankguthaben von 14.000 Euro hinterlegt werden. Reichen die Punkte nicht aus, bleibt die Tür nach Dänemark für den Ehepartner oder die Ehepartnerin verschlossen. Ob das Paar Kinder hat, spielt keine Rolle.

Wer innerhalb der letzten 36 Monate nicht mindestens 30 Monate eine Vollzeitarbeit hatte, die ihm einen ausreichenden Lebensstandard sicherte, hat keine Chance, eine Genehmigung für die Einreise seiner Ehefrau oder seines Ehemanns zu erhalten. Diese Regelung soll unabhängig von der Staatsangehörigkeit gelten. Damit gilt sie auch für DänInnen, die sich an ihrem ausländischen Urlaubsort in eine einheimische Krankenschwester oder einen Handwerker verliebt haben. Medien haben ausgerechnet, dass bis zu 750.000 der 5,5 Millionen EinwohnerInnen Dänemarks von den neuen Regeln betroffen sein könnten.

Von "sozialer Apartheid" sprechen Kritiker und von unanständigen, wenn nicht gar diskriminierenden Bestimmungen, die womöglich gegen internationales Recht verstoßen. Und sie warnen, dass diese Politik die sozialen Gräben vertiefen und die Spannungen in Dänemark eher noch verstärken werde. Niemand könne doch eine Gesellschaft wollen, in der indirekt der Staat bestimme, dass man den nicht heiraten dürfe, "der nicht die richtige Ausbildung, die richtigen Sprachkenntnisse und den richtigen kulturellen Hintergrund" hat, meint auch Kjeld Hansen, Bürgermeister von Herlev, einer Vorortgemeinde Kopenhagens. Der Sozialdemokrat Hansen gehört zu einer Gruppe von Bürgermeistern, die in der Vergangenheit die meisten der ausländerrechtlichen Verschärfungen begrüßten, die die konservativ-rechtsliberale dänische Regierung beschloss. Doch was jetzt geplant ist, geht ihnen zu weit: "Eine solche Gesellschaft dürfen wir nicht wollen", sagt Hansen.

Durchgesetzt hat die neue Vorlage - es ist die vierzehnte Verschärfung seit 2001 - die rechtspopulistische Dänische Volkspartei (Dansk Folkeparti, DF). Dafür lieferte sie der konservativ-rechtsliberalen Minderheitsregierung im Parlament die notwendigen Stimmen für die Verabschiedung des Staatshaushalts 2011. "Jetzt haben wir Europas strengste Regeln", freut sich der rechtspolitische Sprecher der Partei, Peter Skaarup. Und die DF-Parteivorsitzende Pia Kjærsgaard meint, Dänemark sei dem Stopp jeglicher "nicht westlicher" Einwanderung einen großen Schritt näher gekommen.

Der Einfluss der ausländerfeindlichen Rechtspopulisten auf die dänische Politik ist so groß geworden, dass auch die linke Opposition die Einführung des neuen Punktesystems "im Prinzip" begrüßt. Die Sozialdemokraten halten es für "ganz vernünftig". Und sogar die Linkssozialisten, die nach den Wahlen im kommenden Jahr an die Regierung möchten, rangen sich zu einer "abwartenden, aber vorsichtig positiven" Haltung durch. Das Kalkül: Nachdem die Rechtskoalition mit dem Ausländerthema dreimal hintereinander die Wahlen gewonnen habe, werde man nur eine Chance haben, wenn man ein Stück weit "mit den Wölfen heule". Der Vorsitzende der Linkssozialisten, Villy Søvndal, meint, dass die Abwahl der jetzigen Regierung und damit ein Ende des Einflusses der Dänischen Volkspartei einfach vorrangig sei. Damit akzeptiere auch die Linke das "soziale Apartheidsystem", kommentiert die liberale Tageszeitung Politiken.

REINHARD WOLFF

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