Geräusche aus dem Kühlschrank

DEBÜT In ihrem ersten Album „Bones“ kreieren die Mittzwanziger von Fenster ein musikalisches Mischwesen. Trotz allem klingt das einzigartig

Okay, womit fangen wir an? Damit, dass Fenster gerade dabei sind, einen kleinen, wohlverdienten Hype auszulösen? Damit, dass sie bald zu einer umfangreichen Tour durch die Vereinigten Staaten von Amerika aufbrechen werden? Damit, dass sie Fenster heißen, weil während des Musikmachens mal ein solches über einigen der Bandmitglieder zersplittert ist?

Vielleicht fangen wir mit dem Wichtigsten an, der Musik. Die Songs auf „Bones“, dem ersten, dieser Tage erscheinenden Album von Fenster, sind stilistisch schwer auf einen Nenner zu bringen. Die in New York aufgewachsene, vor zwei Jahren nach Berlin gezogene JJ Weihl und der Urberliner Jonathan Jarzyna scheinen sich einerseits an einer überaus geschmackvollen Auswahl an Vorbildern zu orientieren. Es gelingt ihnen aber, auf „Bones“ aus diesen Einflüssen ein sehr eigenes, um nicht zu sagen: einzigartiges Klangbild zu destillieren.

Wenn Weihl und Jarzyna, begleitet von emotionslosen Gitarren und Geräuschen aus dem Tiefkühlschrank, sich in „Gravediggers“ duettieren wie ein Liebespaar, das sich längst verloren hat, klingen sie sehr nach Velvet Underground, als die noch Nico für sich singen ließen. In „Fantasy II“ schraubt sich Jarzyna in die Höhe, als wären ihm die Fleet Foxes noch nicht pastoral genug. Und nicht nur in „Spring Break“ könnte man glauben, The XX hätten sich mal eben in die Mojave-Wüste verirrt. Diese Songs haben aber eigentlich nur eins gemeinsam: Sie sind großartig. Und so unglaublich das sein mag: Die anderen alle sind es auch. Vor allem der wundervolle Albumeinstieg mit „Oh Canyon“, das gute Chancen hat, „Young Folks“ von Peter Björn and John als perfekten Indie-Folk-Pop-Radiohit abzulösen.

Mehr als nur Songwriting

Dass Fenster in der Presse bereits gefeiert werden, liegt aber nicht nur an der Qualität des Songwritings. Sondern auch daran, dass der Sound der beiden Mittzwanziger so wunderbar in die Zeit passt. Weihl und Jarzyna, die auf der Bühne neuerdings von dem Franzosen Rémi Letournelle unterstützt werden, bauen aus Gitarren und vorsichtigem Schlagzeug mit elektronischer Unterstützung und vor allem viel Hall genau jene verhuschten, träumerischen Klangwelten, in die sich die jungen Menschen heutzutage so gern flüchten.

Der momentan so beliebte Hypnagogic Pop hat mit Zola Jesus oder Lykke Li zwar längst den Mainstream geentert, ist aber auch immer noch fest in der Subkultur verankert und wird als Zukunftsperspektive gehandelt, wie der letzte Club Transmediale bewiesen hat. Fenster scheinen sich in der Grauzone dazwischen überaus wohl zu fühlen: Einerseits eingängig genug, um mehr als nur ein paar deprimierte Informationsoverkill-Opfer anzulocken, andererseits weiterhin ausreichend sperrig, um nicht gleich zum modischen Lifestyle-Accessoire schwarzhaariger und demonstrativ schlecht gelaunter Teenager degradiert zu werden.

Nach der Record-Release-Party geht es erst einmal nach Amerika. Auf dem Plan stehen Konzerte in New York, Boston oder Houston und mehrere Auftritte beim „South By Southwest“-Festival in Austin. Dort werden sie vermutlich sagen: Fenster, so klingt Berlin. Stimmt ja auch, irgendwie. Aufgenommen aber wurde „Bones“ in JJ Weihls alter Heimat New York. Ja, wo fängt man bloß an? THOMAS WINKLER

■ Fenster: „Bones“ (Morr Music/ Indigo), Record-Release-Party am 2. 3. im Marie Antoinette