LESERINNENBRIEFE
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Gegen die Kultur des Vergessens

■ betr.: „Ich bin der Herr Ismail Yozgat“, taz vom 24. 2. 12

Sehr geehrter Herr Yozgat. Selten hat mich eine Rede so berührt, wie die zum Tod Ihres Sohnes. Ich finde Ihre Idee, eine Straße nach ihrem ermordeten Sohn zu benennen, bestechend gut. Dasselbe gilt auch für Amadeu Antonio in Eberswalde und die anderen Ermordeten. Es würde für die Neonazis keinen Sinn machen, einen Menschen zu ermorden, wenn die Opfer durch die Benennung einer Straße geehrt werden.

Ob dies allerdings mit unseren bürokratischen Verwaltungen einfach so möglich ist, wage ich zu bezweifeln. Dazu bedarf es einer großen Unterstützung aus der Bevölkerung. Leider macht es die Opfer nicht mehr lebendig, aber es würde der Kultur des Vergessens entgegenwirken. CHRISTOPH KROLZIG, Moos

Trittin fordert faktisch Zensur

■ betr.: „Eine Zensur findet nicht statt“, taz vom 25./26. 2. 12

Ja, müssen wir jetzt die Pressefreiheit schon gegen die Grünen verteidigen? Trittins Bezeichnung „Schweinejournalismus“ impliziert die gleiche Zensurforderung wie das Telefonat des zurückgetretenen Christian Wulff mit Bild!

Die Kombination von „Schwein“ und „Journalismus“ ist eine Diskreditierung der freien Meinung, wenn sie Betroffenen oder den Repräsentanten „der Betroffenheit“ nicht passt. Zusätzlich reproduziert diese Bezeichnung das allzu billige Stammtischvorurteil vom Journalisten als Underdog. Tiere gehören ja nicht zu den Sphären der Macht oder werden dressiert (= Zensur) oder geprügelt (Trittin) – und dafür sollen sie sich auch noch entschuldigen. NIKOLAUS DOMINIK, München

Sind unsere Arbeitsplätze wertlos?

■ betr.: „Stärkere Einschnitte bei Solar“, taz vom 23. 2. 12

Ich arbeite in der Photovoltaikbranche und kann keinerlei Sinn in den EEG-Gesetzesänderungen der Minister Rösler und Röttgen erkennen. Photovoltaik ist der ökologische Strom, den der kleine Mann selbst produzieren kann und der einen volkswirtschaftlichen Nutzen hat. Ist Fukushima schon so lange her, dass diese saubere Energieform verteufelt wird?

Die EEG-Umlage, die als „Förderung“ bezeichnet wird, ist, wie der Name schon sagt, eine Umlage. Das bedeutet, die Staatskasse wird damit nicht belastet. Ganz im Gegenteil. Kommunen und der Staat verdienen an Gewerbe-, Lohn- und Einkommensteuer. Wo werden Sie denn in Zukunft das Geld herholen, wenn Sie bewusst eine ganze Branche zerstören? Doch nur wieder von der Mittelschicht, die durch Ihr politisches Machtgehabe um 100.000 Arbeitsplätze kleiner wird. Und von wo nehmen Sie das Geld für die Arbeitslosen?

Die Umlage beträgt derzeit etwa 3,5 Cent des Strompreises. Wenn diese Umlage tatsächlich alle betreffen würde, dann wäre sie sogar noch geringer. Ursprünglich gab es etwa 50 Betriebe, die von dieser Umlage befreit waren, heute sind es an die 1.500 Betriebe.

Die Politik fordert Wachstum. Die Photovoltaikbranche ist eine der wenigen, die wachsen würde, wenn man sie ließe. Wenn ein großer Betrieb 100.000 Arbeitnehmer entlassen wollte, würden Sie doch alles daran setzen, dass dies nicht passiert. Warum sind diese Arbeitsplätze mehr wert, als unsere?

Etwa 80 Prozent der Sondermaschinen für diesen Markt werden in Deutschland gefertigt. Diese Firmen werden zum Teil pleite gehen. Vor allem aber die deutschen Modul- und Zellhersteller. Wie rechtfertigen Sie, dass meine Kollegen und ich arbeitslos gemacht werden? Wir werden trotz unserer positiven Aspekte zugunsten der großen Energiekonzerne geopfert. JOSEPHINE WÖRNER, Gernsbach

Über den Tellerrand von Dakar

■ betr.: „Der Wind gegen Wade“, taz vom 24. 2. 12

Eure Beiträge zu den am Sonntag anstehenden Präsidentschaftswahlen im Senegal finde ich sehr enttäuschend. Ich hatte eine Vorstellung der verschiedenen Kandidaten mit einer Analayse ihrer Positionen zu den drängendsten Problemen und Themen sowie Berichte zur wirtschaftlichen und sozialen Lage des Landes erwartet. Stattdessen steht die Ablehnung der Kandidatur des Sängers Youssou N’Dour im Mittelpunkt und eine ganze Seite wird mit einer reichlich oberflächlichen Reportage zum Straßenprotest in Dakar verschwendet. Und über RADDHO und andere zivilgesellschaftliche Organisationen gibt es Wichtigeres und Interessanteres zu berichten, als dass der „Vordenker aus dem Senegal“ müde wirkt und sich den Bauch streicht.

Auch ärgert mich die Überbewertung der Bloggerszene und der unkritische Umgang mit deren Überheblichkeit. Die Entwicklungen nach den Arabellionen und vor allem die Wahlen in Ägypten haben doch gezeigt, dass es sich – bei allen Verdiensten bei der Mobilisierung und Informationsübermittlung – größtenteils um eine relativ kleine, jugendliche Mittelschicht handelt, die sich maßlos überschätzt.

Der Masse der senegalesischen Bevölkerung dürfte der Zugang zu sauberem Trinkwasser, bezahlbarem Saatgut und Dünger und Lebensmitteln wichtiger sein als der zum Internet, und das gilt für die Bauern im Sine-Saloum und am Fluss Senegal genau so wie für die EinwohnerInnen Dakars, wie es ja am Beispiel des Straßenhändlers klar wird, dessen Verkaufstisch zerstört wurde. Jetzt hoffe ich darauf, dass die Berichterstattung über die Wahlen etwas seriöser ausfällt und vielleicht einen Blick über den Tellerrand von Dakar wagt. EVA-MARIA BRUCHHAUS, Köln