Die Gier nach Krawall zum 1. Mai

Berlin bereitet sich auf den Kreuzberger Traditionstag vor. Die linksradikalen Veranstalter fühlen sich hintergangen, weil der Bezirk Gewalt mit einem Straßenfest vermeiden will

BERLIN taz ■ Wie jedes Jahr seit 1987 schwankt Berlin am Vorabend des 1. Mai zwischen Hoffen und Bangen. Die Optimisten setzen auf die Entwicklung der vergangenen zwei Jahre, in denen es der Bezirksverwaltung gelang, die abendlichen Krawalle zwar nicht völlig zu verhindern, die Gewaltbereitschaft aber immerhin spürbar einzudämmen. Die Pessimisten befürchten hingegen, dass die Gier nach Randale dieses Mal doch wieder die Oberhand gewinnen wird.

Einiges spricht jedenfalls für Konfrontation. Anders als in den Jahren zuvor scheiterten bereits im Vorfeld die Verhandlungen zwischen einem linksradikalen Bündnis und der Bezirksregierung. Die Linksradikalen wollen in alter Manier mit ihrer „Revolutionären 1.-Mai-Demonstration“ durch den Szenekiez in Berlin-Kreuzberg ziehen, der Bezirk möchte ein großes Straßenfest initiieren, um an selber Stelle für eine friedliche Stimmung zu sorgen.

Während es in den beiden Jahren zuvor jedoch stets zu einer Einigung kam, fühlen sich die linksradikalen Veranstalter in diesem Jahr hintergangen. Überraschend zogen sie die Anmeldung ihrer Demonstration um 18 Uhr zurück und kündigten an, mit ihren Anhängern das Straßenfest des Bezirks „massenhaft“ zu besuchen. Dabei werde eine Spontandemo gegen die Bezirksregierung und die Polizei nicht ausgeschlossen. „Gewalt erzeugt Gegengewalt“, erklärte ein Sprecher der Linksradikalen. Die Versammlungsbehörde hatte ihnen vor einer Woche ihre traditionelle Route durch Kreuzberg verweigert und ihnen ersatzweise eine Strecke angeboten, die die symbolisch hoch aufgeladenen Straßenzüge weit umgeht. Autonome werfen Bezirk und Polizei vor, das Straßenfest nur auszurichten, um gezielt die politischen Demonstrationen zu verhindern.

Die Berliner Polizei ist alarmiert, hält aber an ihrem „Konzept der ausgestreckten Hand“ fest. Die Beamten sollen zurückhaltend auftreten, jedoch sofort eingreifen, wenn gestört wird. Vorsichtshalber will die Innenbehörde bis zu 9.000 Polizisten einsetzen – die Hälfte von ihnen kommen aus anderen Bundesländern. FELIX LEE