Zum Streicheln schöne Bilder

IM ZOO Einerseits ein Tierfilm – mit einer langhalsigen Anwärterin auf den Silbernen Bären – andererseits entrückte Kinomagie: „Postcards from the Zoo“ vom indonesischen Regisseur Edwin (Wettbewerb)

Dass zwei Filme aus unterschiedlichen Ecken der Erde einander überraschend begegnen und über Sektionsgrenzen hinweg korrespondieren, ist ein so zwangsläufiger wie schöner Effekt eines Filmfestivals. In diesem Fall sind es Edwins indonesischer Wettbewerbsbeitrag „Postcards from the Zoo“ und Denis Côtés „Bestiaire“ (Forum), der in einem kanadischen Safaripark Tierbeobachtungen anstellt. Beiden Filmen eigen ist die Zugewandtheit zum Tier hinter Gittern, zum Tier als Bild, an das Seh- wie Sehnsüchte geknüpft sind.

Während Côté meist zum ästhetisierenden Abstand neigt, der das Bild als Ganzes sucht, pirscht sich Edwin ganz dicht an das Tier heran und ist geradezu gebannt vor kindlicher Freude über das Wunder, ein wildes Tier fast streicheln zu können: Eine leinwandfüllende Elefantenflanke, auf die der Regen prasselt, das leicht obszöne Rosa hervorquellender Nilpferdspeckfalten, schließlich aber die großartige Giraffe, deren Charme sowohl Edwin als auch seine Hauptfigur Lana (Ladya Cheryl) hingebungsvoll erliegen, bilden kleine Inseln der Sensation.

Die Höckerlandschaft auf der Stirn der Giraffe, das leicht blöde glotzende Auge, die unfassbar lange Zunge, der geschmeidig feste Bauch – kein Wunder, dass Lanas Sehnsucht aus Kindertagen ganz dicht ans Taktile, das dem Film über weite Strecken als ästhetisches Prinzip zugrunde liegt, gebunden ist. Einmal unter dieser Giraffe stehen und ihren Bauch ertasten, das ist buchstäblich das Höchste für kleine Kinderfinger! Unter dem Giraffenmodell im Park gelingt dies der kleinen Lana schon ganz gut, am Ende erfüllt sich der Traum in trauriger Wendung.

Wie die Flecken ins Giraffenfell ist Lanas Geschichte in den Film hineingesprenkelt, nicht flächig ausartikuliert, sondern willkürlich eingewirkt. Als Kind im Zoo ausgesetzt, wächst sie dort in der Obhut von Tierpflegern in einer Art Wunderwelt auf, die über den Zaun des Zoos nicht blicken lässt: Pfleger samt im Zoo nächtigender Hobos am Lagerfeuer, einer davon sampelt Tierstimmen für wilde Audiocollagen, tagsüber werden die Tiere – darunter noch ein famoses Tigerbaby – liebkost oder es wird Tretboot und Karussell gefahren.

Dass Lana als junge Frau den Zoo verlassen muss, ergibt sich sehr beiläufig, wie überhaupt der Handlungskitt lose geraten ist. Lana landet selbst als Ausstellungsobjekt in einem Massagesalon, wo Männer sie sich aussuchen, sich von ihr massieren und befriedigen lassen können.

Melancholie im Menschenzoo: Edwin erzählt die Geschichte einer Prostitution mit den Mitteln eines von Piano- und kristallinen Ambientklängen umschmeichelten Impressionskinos und landet dabei zuweilen im Verkitscht-Beschaulichen. Eigentlich zwei Filme stehen hier auf einer Bühne im Widerstreit, mitunter wirkt die Abfolge beliebig: einerseits Tierfilm im Gestus spröden asiatischen Autorenkinos, dem man so auch im Forum begegnen könnte, andererseits dem Alltag zwei Schritt weit entrückte Kinomagie. Letzteres beschädigt leider das Erstere, einen Silbernen Bären aber bitte dieser Giraffe! THOMAS GROH

■ Heute, 9.30 Uhr, Friedrichstadt-Palast; 19. 2., 22.15 Uhr, HdBF