Populisten treten Schienbeine

Weil die Pro-Bürger-Partei im Chaos versinkt, fordert der Kreisverband Gelsenkirchen die Führung bei den Rechten. Ex-Bundeschef kandidiert bei der NRW-Landtagswahl – auf dem Ticket der Grauen

VON MARTIN TEIGELER

Die Mitglieder der Pro-Bürger-Partei (PBP) machen ihrem politischen Urahn alle Ehre. Wie zu politisch aktiven Zeiten des Rechtspopulisten Ronald Barnabas Schill herrschen bei der PBP Chaos, Personalquerelen und Schienbeintreterei. Bei der vor zwei Jahren gegründeten Schillpartei-Abspaltung PBP (siehe Infokasten) hat jetzt die Bundesspitze ihren Rücktritt erklärt. Nun beansprucht der Kreisverband Gelsenkirchen die Führungsrolle in der Minipartei.

„Die Entwicklung in unserer Partei hat in den letzten Monaten einen Verlauf genommen, der eine fruchtbringende Arbeit verhindert“, heißt es im Rücktrittsschreiben von drei PBP-Vorstandsmitgliedern. Abgetreten ist auch Bundeschef Frederick Schulze. Der Oberstleutnant a. D. war zwischen 1994 und 1998 Bundestagsabgeordneter der CDU. Damals galt er als Vertreter des konservativen Flügels innerhalb der Union. Als er nicht mehr im Parlament saß, tauchte Schulze in der Schillpartei auf. Doch im Jahr 2002 wurde ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn eingeleitet. Laut Medienberichten soll der damalige Düsseldorfer Schillparteichef auf einer Kundgebung kritischen Zuhörern angeblich geraten haben, dass sie doch arbeiten gehen sollen, weil „Arbeit macht frei“.

Nach dem Untergang des Schillismus formierte sich 2003 eine neue Partei: die PBP. Dort wurde Schulze Gründungsvorsitzender. „Diese Partei steht für eine typisch rechte restriktive und autoritäre Ausländer- und Sicherheitspolitik“, sagte Martin Dietzsch vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung vor der NRW-Kommunalwahl 2004, bei der die PBP in einigen Städten antrat. Schnell kam es auch in der neuen Kleinpartei zu Querelen. „Das ging jeder gegen jeden, wie früher bei Schill. Die meisten sind ja auch Ex-Schiller“, berichtet ein Parteimitglied aus dem Revier. Gemäß dem alten Motto „Freund, Feind, Parteifreund“ seien parteipolitische Differenzen dabei oft zu persönlichen Angelegenheiten geworden: Schillfans gegen Ex-CDUler, Bürgerliche gegen Ausländerfeinde. Im Laufe der letzten Monate verließen zahlreiche Aktivisten die Partei im Streit, Regionalgruppen aus dem Ruhrgebiet zweifelten die Beschlussfähigkeit des Führungsgremiums an. Mit dem Rücktritt sei die PBP-Spitze nun ihrer Absetzung zuvorgekommen, sagt ein Insider. Ex-CDU-Mann Schulze ist gleichwohl weiter aktiv: Er steht auf Platz Vier der Reserveliste der Grauen für die NRW-Landtagswahl. Warum der PBP-Mann auf der Grauen-Liste kandidieren darf, kommentierte die Altenpartei gestern auf Anfrage nicht.

Wegen des entstandenen Machtvakuums hat nun der Kreisverband Gelsenkirchen das Heft des Handelns innerhalb der PBP ergriffen. In einer Mitteilung unter der Überschrift „Die Ratten verlassen das sinkende Schiff“ erklären die dortigen Mitglieder Reinhard Erich Leier und Stefan Budde-Siegel ihren Kreisverband zur „einzigen und höchsten Gebietskörperschaft der PBP“. Deshalb müsse der Gelsenkirchener Vorstand den „kommissarischen Bundesvorsitz übernehmen“. Doch auch in der PBP-Filiale Gelsenkirchen gab es zuvor internen Streit. „Welchen Kreisverband meinen Sie: den Leier-Budde-Siegel-Vorstand oder den alten Vorstand?“, fragt ein PBP-Kommunalpolitiker aus dem Ruhrgebiet. Verkompliziert wird die Lage dadurch, dass die Ex-Bundesspitze die Führung des Verbands bis zu wahrscheinlichen Neuwahlen im Juni an den Landesverband Bremen übergeben hat.

Der PBP-interne Zoff dürfte weitergehen. Ein Anhänger des zurückgetretenen Bundeschefs Schulze gestern zur taz: „Da läuft eine politische Säuberungsaktion von stalinschem Ausmaß.“