Bundesdorf bleibt Bundesdorf

Bonn will nach dem Umzug des Bundestages zur „Internationalen Stadt“ werden. Das ist bislang nicht gelungen, sagt eine Studie. Danach klagen UN-Mitarbeiter über die schlechte Infrastruktur

Von MARTIN BÖTTGER

Bonn kämpft um seine Entwicklung. Immer noch wird die Stadt als „Ex-Bundesdorf“ angesehen, obendrein eingedeckt mit großzügigen Bundessubventionen. Darum versucht sie sich seit einiger Zeit als „Internationale Stadt“ zu profilieren. Dass sie damit noch nicht sehr weit gekommen ist, dokumentiert eine jetzt von der Universität Bonn vorgelegte „Perspektivstudie Internationaler Standort Bonn“.

Das Pfund, mit dem gewuchert werden soll, sind die Einrichtungen der Vereinten Nationen (UN). Dazu gehören das UN-Freiwilligenprogramm, das Sekretariat der Klimarahmenkonvention sowie das Anti-Wüstensekretariat. Nach Einschätzung des Gutachtens ist mit diesen Institutionen allerdings noch keine „kritische Masse“ erreicht. Bislang beschäftigen sie rund 600 Menschen. Erst wenn es über 1.000 seien, heißt es in der Perspektivstudie, würde der Standort einen Stellenwert erreichen, über den auch die Bundesregierung nicht mehr hinwegsehen könne. Die wird bis heute von den Bonnern verdächtigt, die bisherigen Niederlassungen von sechs Bundesministerien irgendwann doch komplett nach Berlin holen zu wollen – der vielbefürchtete „Rutschbahneffekt“.

Trotzdem betont die Bonner Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann (SPD), dass man hier „nur in Zusammenarbeit mit dem Bund“ vorwärts kommen werde. So hat denn auch das Bundesumweltministerium, das gerne mehr Beschäftigte nach Berlin holen möchte, tatkräftig an der Schaffung des „UN-Campus“ im ehemaligen Regierungsviertel mitgewirkt.

Neues Kongresszentrum

Den Durchbruch erhofft sich Bonn im Einklang mit der Perspektivstudie vom Projekt des „Internationalen Kongresszentrums Bundeshaus Bonn“ (IKBB). Es soll sich unmittelbar an das ehemalige Bundeshaus mit seinem denkmalgeschützten Plenarsaal anschließen, Platz für 4.500 Kongressgäste bieten und ein Anziehungspunkt für weitere UNO-Einrichtungen und -Veranstaltungen werden. Geschätzte Kosten: 85 Millionen Euro. Vom ersten privaten Investor, der Gesellschaft für Grundstücksentwicklung AG (GEAG), trennte sich die Stadt allerdings schon nach wenigen Monaten, weil er seinen finanziellen Verpflichtungen nicht nachkam. Jetzt soll mit der US-Firma UMS – eine Bautechniktochter des Bayer-Konzerns ist mit im Boot – weitergearbeitet werden.

An diesem Prozess zeigt sich, wie problematisch solche „Public Private Partnerships“ sein können. Eine Stadt von der Größe Bonns verfügt kaum über unabhängige Fachkompetenz, um die Seriosität global agierender Investoren selbst beurteilen zu können. Man ist auf private Rating-Agenturen und Vermittler angewiesen, die in der Regel eigene Interessen an solchen Deals haben. Der Bonner Stadtrat hat vorsichtshalber – gegen die Stimmen der SPD – beschlossen, das IKBB notfalls, und dann ohne angeschlossenes Hotel, auch auf eigene Faust zu errichten.

Von diesem Schlüsselprojekt hängt laut der Perspektivstudie fast alles ab. Sie legt darüber hinaus jedoch viele weitere Schwachstellen offen. So sei Bonn seit der Fertigstellung der ICE-Strecke Köln-Frankfurt vom Bahnfernverkehr abgehängt. Und die MitarbeiterInnen der internationalen Organisationen beklagten die völlig unzureichende Zahl von Betreuungsplätzen für Kleinkinder.

Zu wenig Englisch

Bemängelt wurden außerdem zu wenig englischsprachige Wegweiser im Stadtbild und mangelnde Sprachkenntnisse in Gastronomie und anderen Dienstleistungsgewerben. Von diesen „nicht repräsentativen“ Bewertungen distanzierte sich OB Dieckmann gegenüber der taz: Hier sei man in Bonn „schon ganz schön weit gekommen“. In der Tat meldeten sich in der Lokalpresse nach dieser Meldung diverse geschäftstüchtige Gaststätten und präsentierten ihre vielsprachigen Bewirtungskräfte und Speisekarten.

Was allerdings sowohl in der Studie wie in der kommunalen Politik Bonns bis heute fehlt, sind Respekt und Wertschätzung für die Internationalität, die sich schon heute in der Zusammensetzung der Stadtbevölkerung ausdrückt. So sind 15 Prozent der BonnerInnen Nichtdeutsche und stärker als in anderen Städten auf viele Nationalitäten verteilt. Diese Menschen mögen die Stadt wegen ihrer kommunikativen Überschaubarkeit und weil sie sich hier sicher fühlen– auch vor rassistischer Aggression.

Doch die Stadt verschenkt ihre Möglichkeiten. Eine 1999 ernannte Beauftragte für Multikulturelles, die Deutsch-Türkin Filiz Karsligil, wurde sofort aus dem Amt entfernt, als die CDU seinerzeit die Kommunalwahl gewann. Nach dem CDU-Wahldesaster 2004 entwickelte auch SPD-OB Bärbel Dieckmann keinen Antrieb zu neuen Anläufen. Und der Personalausschuss des Stadtrates diskutiert immer noch, ob in städtischen Stellenausschreibungen Bewerbungen von MigrantInnen endlich als „gern gesehen“ bezeichnet werden sollen.