1.000 Billigjobs in Wuppertal

Die Chance, Arbeitsgelegenheiten einzurichten, nutzen viele Wuppertaler Träger dazu, Dienstleistungen, die sie sonst bezahlen müssten, billig von ALG-II-Empfängern erledigen zu lassen

VONELMAR KOK

Der Wuppertaler Verein Tacheles e. V. hat eine Liste veröffentlicht, die die rund 1.000 Ein-Euro-Jobs der Stadt im Bergischen öffentlich macht. Die Wuppertaler Arbeitsagentur hat die Echtheit dieser Liste gestern gegenüber der taz bestätigt. Die Sprecherin der Arbeitsagentur Wuppertal, Franziska Arndt-Duve sagte gestern: „Die Liste hat der Verein aus unserem Computer bekommen“. Wie der Verein daran gekommen sei, sei ein Rätsel, „vielleicht haben wir in der Agentur einen Maulwurf“.

Nun hat die Arbeitsagentur in Wuppertal ein Problem: Manche der als „Maßnahme“ beschriebenen Tätigkeitsbereiche für „zusätzliche Beschäftigungsgelegenheiten für ALG-II-Empfänger“ lesen sich wie eine Stellenanzeige – obwohl die Billigjobs dem ersten Arbeitsmarkt keine Konkurrenz sein dürfen. So werden an der Christian-Morgenstern-Schule in Wuppertal-Barmen zwei Stellen „im gewerblich-technischen Bereich“ eingerichtet, Job-Beschreibung: „Reparaturarbeiten, Materialverwaltung, Wartung und Kontrolle technischer Geräte.“

Das stößt selbst der Regionaldirektion der Arbeitsagenturen in Nordrhein-Westfalen sauer auf. Deren Sprecher Herbert Jans sagt, „hier hat ein Nutzer etwas von den Arbeitsgelegenheiten“. Das dürfe nicht sein. Jans nennt ein Beispiel, was erlaubt ist und was nicht: Ein Träger eines Schwimmbades dürfe eine Arbeitsgelegenheit dazu nutzen, Betreuung für ältere Menschen bei einem Schwimmkurs anzubieten, „aber das Unterhalten der Schwimmbadtechnik muss jemand anders machen“.

Arndt-Duve verteidigt die Praxis der Agentur. „Die Begünstigten haben ihre Planstellen voll ausgeschöpft“, sagt sie. Für zusätzliche, nicht notwendige Arbeiten seien die Jobs geschaffen worden, sagt sie. Warum dazu die Wartung und Kontrolle technischer Geräte gehöre, versucht Arndt-Duve so zu erklären: „Vielleicht ist der Hausmeister kränklich und braucht Unterstützung.“ Außerdem gebe es auch in einer Wuppertaler Senioren-Einrichtung eine 22-jährige Ein-Euro-Jobberin, die „dort die Küche in Ordnung hält und sich um die Vorratsbeschaffung kümmert“. Vorher hätten „sich die Alten wohl selbst darum gekümmert, die Küche in Ordnung zu halten“, sagt die Sprecherin.

Damit die so genannten Ein-Euro-Jobs dem ersten Arbeitsmarkt nicht schaden, ist vorgesehen, dass die Arbeitsagenturen von einem Beirat beraten werden, sagt Regionaldirektions-Sprecher Jans. Allerdings sei dieser Beirat, der aus Vertretern von Gewerkschaften, der lokalen Wirtschaft und der öffentlichen Hand bestehen soll, für die Agenturen nicht verpflichtend.

Die Arbeitsgelegenheiten seien auch in Wuppertal vom Beirat abgesegnet worden, sagt Arndt-Duve. In Wuppertal bestehe der Beirat aus Mitarbeitern der Arbeitsagentur, der Gewerkschaft, den Personalräten und der Industrie- und Handelskammer (IHK), sagt Arndt-Duve.

Für die IHK in Wuppertal ist diese Liste aber gänzlich neu. Thomas Wängler, Sprecher der Unternehmensvertreter sagt, „von uns hat noch keiner diese Liste gesehen und ich kann ihnen auch sagen, dass der Beirat hier in Wuppertal noch nie zusammengetreten ist“. Das habe ihm der Vertreter, der für die IHK im Beirat sitze, bestätigt.

Dass der Beirat noch nie getagt hat, wundert Harald Thomé, Vorsitzender des Vereins Tacheles e.V., nicht. Wahrscheinlich hätten die Träger der Verbände zusammen mit den Beschäftigungsförderern die Ein-Euro-Jobs ausgekungelt, vermutet er. Der Verein kann gegen die Jobs momentan noch nicht vorgehen. „Wir haben nicht die Möglichkeit zu einem Verbandsklagerecht“, sagt Thomé. Nun werden sie darauf warten, dass ein ALG-II-Empfänger zu einem Job gezwungen werden soll. „Dann werden wir ihn justiziabel vertreten“, sagt er. Bisher sei der Fall zwar noch nicht eingetreten, „wir warten aber ganz gespannt darauf, dass das passiert“. Anders sieht es für die Betriebe im Wuppertaler Raum aus. Sie könnten gegen eine Verletzung des Wettbewerbsrechtes klagen, sollten sie sich durch die Billigarbeiter, die normale Dienstleistungen erledigen, benachteiligt fühlen.

Die Liste mit den Jobs, die die Agentur als Arbeitsgelegenheiten genehmigt hat, wäre auch so an die Öffentlichkeit gelangt, sagt Thomé. Denn das Informationsfreiheitsgesetz in NRW erlaube es jedermann, Einsicht in die Anträge der Maßnahmenträger bei den Arbeitsagenturen zu bekommen.