Jede Frau an ihrem Platz

Wo stehen Frauen in zwanzig Jahren? Haben sie eine neue Rolle in Beruf, Beziehung und Familie?

VON ADRIENNE WOLTERSDORF

Der Chefsessel

Ob das mal anders wird? Heute werden nur rund 10 Prozent der Chefsessel in Deutschland von Frauen besetzt. PessimistInnen bezweifeln, dass sich das bis 2020 dramatisch zugunsten von Frauen ändern wird. Gewiss scheint nur, dass heute 20-Jährige vom demografischen Wandel noch nichts erhoffen sollten. Für diese Frauen kommt der erwartete Bevölkerungsrückgang zu spät. Kein verzweifelter Unternehmer wird ihnen den roten Teppich zur Machtzentrale ausrollen, da sitzen dann – immer noch – die Herren.

Anders sieht es für die Mädchen aus, die jetzt geboren werden. Sie könnten es leichter haben auf dem Weg nach oben. Denn erst ab dem Jahr 2025 wird sich deutlich bemerkbar machen, dass hierzulande wenig geboren wurde und wird. So könnte es zu einer „Entlastung“ auf dem Arbeitsmarkt kommen – und damit zu einer Nachfrage nach hoch qualifiziertem Personal, das dann gerne auch weiblich sein darf. Soziologen sehen die mittelfristigen Chancen, für Frauen in Führungspositionen zu kommen, „besser“ an als heute. Am liebsten möchten sie diese Aussage aber gleich einschränken. Denn eines ist ebenso denkbar: Wenn die Bevölkerung abnimmt, wird auch die Wirtschaft schrumpfen – und wieder könnte es zu wenig Arbeitsplätze geben. Wer dann den Chefsessel warm hält? Siehe heute.

Der Bürostuhl

Auf dem zu sitzen, wird für Frau im Jahre 2020 keine Frage sein. Die Zukunftsforscher sind sich einig: Die fetten Jahre sind in Zukunft schon lange vorbei. Jede muss mit ranschaffen! Der Druck zur Erwerbstätigkeit wird steigen – auf Männer und Frauen gleichermaßen. Für beide wird es schwerer, eine lückenlose Erwerbsbiografie hinzukriegen.

Es könnte sein, dass sich Männer und Frauen die Arbeitsteilung neu organisieren. Das heißt, beide teilen sich den Broterwerb, damit beide auch Babypos wischen und Großmütter bekochen können. Auf die viel beschriene „Unternehmenskultur“, die angeblich dabei ist, auf solche Bedürfnisse zu reagieren, wollen die Zukunftsforscher erst mal nichts geben. Natürlich gibt es heute schon Konzepte, die „Diversity“ heißen und fordern, alle Randgruppen in einem Unternehmen gleichermaßen zu fördern. Das ist selbst im Schwabenland schick – aber wer wird sich in Zeiten der Globalisierung damit aufhalten, zum Beispiel Migrantenfrauen in Führungspositionen zu bugsieren? Kleine und mittlere Betriebe könnten eher flexibel reagieren, meinen die Gesellschaftsexperten, aber bis sich ganze Konzerne und Institutionen mal ändern, das könne dauern, vielleicht ein gutes Jahrzehnt und mehr.

Bis dahin wird die Geschlechterhierarchie keineswegs aufgemischt, sind sich die Soziologen sicher. Vielmehr steht zu befürchten, dass sich die Verteilungskämpfe verschärfen werden. Denn um wenige Arbeitsplätze werden junge, kluge Frauen nicht nur mit jungen, klugen Männern, sondern auch mit einer großen Menge an hoch qualifizierten klugen „Alten“ rangeln. Ihnen gegenüber wird den wenigen Jüngeren nichts anderes übrig bleiben, als eine „Alterstoleranz“ zu entwickeln. Was bedeuten könnte: der Alte im Chefzimmer, der Junge auf Vortragstour und die Frau im Vorzimmer.

Die Küchenbank

Beachten Sie Risiken und Nebenwirkungen: Der Wettkampf um die Position in der Gesellschaft wird härter – zwischen Jung und Alt, Reich und Arm, Mann und Frau. Frauen werden 2025, im Duktus der Sozialwissenschaftler, nach wie vor eine „Risikogruppe“ sein. In prekären sozialen Lagen werden sie es noch schwerer haben als heute. Job und Kinder werden ein noch größeres Risiko sein. Denn zu den Kids gesellen sich dann noch die eigenen Mütter und Großmütter, die ebenfalls gepflegt werden wollen. Das alles setzt die schlecht verdienenden Frauen der Zukunft unter erheblich größeren Sozialstress – bei real geringerem Einkommen.

Verhalten pessimistisch beurteilen die Zukunftsforscher die Bereitschaft der Männer, sich bei der Kinder- und Altenpflege einzuklinken. Bei gut verdienenden Paaren könnte sich der Mann seine Unterstützungsleistung „kaufen“. ER würde zum „Pflegemanager“, SIE zur Karrierefrau, die mit Putz- und Aushilfe Job, Kind und Alte vereinbaren kann. Vermutlich werden, besonders bei Normalverdienern, zwar viel mehr Männer als heute „mit anpacken“ müssen. Es werde aber im gleichen Maße – aus Frust und Unlust – auch zu mehr Gewalt im Haushalt kommen. Generell, mutmaßen Gesellschaftsforschende, könnte es zu größeren Rollenkrisen kommen: Wenn Männer immer stärkeren Druck verspüren, Dinge übernehmen zu müssen, die als „Frauenarbeit“ gelten. Wenn sich dann auch noch die Liebste hinstellt und sagt: „Ich mach das nicht mehr“, könnten, wie damals, 2005, die Fetzen fliegen.

Die Bettkante:

Hier gehen die Meinungen wild durcheinander: Während es manchen Soziologen schwant, dass Sex in Zukunft besser werden könnte, wollen andere überhaupt erst einmal klären, wie Sex denn heute ist. Gut oder schlecht? Sicher ist nur, dass Sex niemals epochenunabhängig ist. Ebenso wie andere Phänomene einer Gesellschaft, Suizid und Krankheiten, unterliegt Sex dem „Zeitgeist“. Wer meint, es wird in Zukunft im Bett mehr Spaß machen, bezieht sich auf den Sex im Alter. Schon heute lockern sich in den Altersheimen die Umgangsweisen mit körperlicher Lust. Altenpfleger, die auf Wunsch einen Vibrator besorgen? Warum nicht? Da es in Zukunft wesentlich mehr Alte geben wird, wird es auch mehr Sex im Alter geben. Günstig unterstützt dies zudem die Schönheitschirurgie – und eine zunehmende Selbstreflexion, die überhaupt zu mehr Freude im Bett führt.

Das Geschlechterverhältnis sei, so ein Demograf, noch rund 20 Jahre lang für Männer „extrem günstig“. Der Beziehungsmarkt für ältere Männer ist demnach heute „ideal“. Durch den kriegsbedingt vorhandenen Frauenüberschuss in Deutschland können sich Männer oft zwei oder mehr Familien nacheinander „leisten“. Erst in zwei Jahrzehnten wird sich der Frauenüberschuss „ausgewachsen“ haben. Und dann? Wieder könnte es für die – vermögenden – älteren Herren super aussehen: Denn schlecht verdienende 30-Jährige interessieren sich durchaus für Golf spielende Senioren.

Die Träume, so die Zukunftsforscher, werden dabei süßer. Märchenprinzessinen und -prinzen haben dann Konjunktur, wenn uns die Realität am Boden hält.